Einer jungen Frau wird ein Neurofeedback-Set angelegt
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Wie funktioniert Neurofeedback?

Neurofeedback ist eine computergestützte Form der Verhaltenstherapie. Die Behandlung kann insbesondere bei ADHS, Autismus, Angst, Depression und Schlafstörung eingesetzt werden und eignet sich gleichermaßen für Erwachsene wie für Kinder. Auch in der betrieblichen Gesundheitsförderung gewinnt Neurofeedback an Bedeutung, etwa als Training zur Stressbewältigung und Burn-Out-Prophylaxe.

Was ist Neurofeedback?

Neurofeedback ist eine computergestützte Form der Verhaltenstherapie und eine bewährte Methode für ein digitales Mentaltraining, mit deren Hilfe unbewusst ablaufende neurophysiologische Prozesse durch Rückmeldung (Feedback) wahrnehmbar gemacht werden.
Feedback ist die Grundlage jeglichen Lernens. Unser Gehirn reagiert stets lösungsorientiert auf Reize und lernt dabei, mit welchen Reaktionen optimal auf Reize reagiert werden kann.

Wie funktioniert Neurofeedback?

Für die Messung der Gehirnaktivität werden EEG-Elektroden am Kopf der PatientIn angebracht und das Messergebnis an einen Computer weitergeleitet. Das EEG wird dabei in Echtzeit analysiert und in seine Frequenzanteile zerlegt. Parallel zur Messung errechnet der Computer aus den EEG-Signalen ein audiovisuelles Feedback. Dieses Feedbacksignal ist an ein computergesteuertes Belohnungsprinzip der operanten Konditionierung gekoppelt und wird PatientInnen auf einem eigenen Bildschirm gezeigt.

Das Gehirn der PatientIn beginnt unmittelbar auf die Feedbacksignale zu reagieren und verändert dabei seine Aktivität. Die Veränderungen werden von den EEG-Elektroden aufgezeichnet und über die Signalverarbeitung sofort wieder zurückgemeldet. So entwickelt sich ein permanenter Kreislauf, an den sich das Gehirn ständig neu anpasst. Die therapeutische Wirkung wird dabei durch die Wahl der Elektrodenpositionen und Einstellungen der Feedbacksoftware gesteuert.

Durch dieses Feedbacktraining lernt das Gehirn seine Selbstregulierungsfähigkeit zu optimieren. Dabei verbessern sich Symptome, die mit Fehlregulierungen im Zusammenhang stehen. Diese Erfolgserlebnisse motivieren das Gehirn, die neu erlernten Selbstregulierungsprozesse immer schneller und nachhaltiger zu erreichen und auch in den Alltag zu transferieren.

Wie ist der therapeutische Ablauf bei Neurofeedback?

Der Start in die Neurofeedback Therapie beginnt mit einem ausführlichen Aufklärungsgespräch und einer fachärztlichen und/oder therapeutischen Anamnese. Manchmal ist eine begleitende Diagnostik sinnvoll. Dies ist meist dann der Fall, wenn eine Aufmerksamkeits- und Impulskontrollstörung vorliegt. Ein weiterer Gesprächspunkt ist das Festlegen von persönlichen Therapiezielen und Entwicklungsmöglichkeiten des Patienten.

Für den Ersttermin sollten eineinhalb bis zwei Stunden Zeitaufwand eingeplant werden. Die darauffolgenden Therapiesitzungen dauern je nach Neurofeedbackmethode und Alter der PatientIn zwischen 30 und 60 Minuten pro Sitzung.
Während der Therapie können regelmäßig Assessments stattfinden, um die erzielten Ergebnisse mit den Ausgangswerten und den gesteckten Zielen zu vergleichen.

Damit sich das Gehirn konditionieren kann, wird meist mit einem engmaschigen Sitzungsintervall von 2 bis 3 Sitzungen pro Woche begonnen. Danach werden die Abstände langsam vergrößert. Ist der Transfer in den Alltag geschafft, kann die Therapie beendet werden. Bis zum erreichten Ziel werden im Regelfall 20 bis 40 Sitzungen benötigt, bei einigen Krankheitsbildern auch mehr.

Was sind die Andwendungsgebiete für Neurofeedback?

Neurofeedback trainiert spezifische Hirnfunktionen wie Konzentration, Entspannung, Ausdauer, Spitzenleistung, Kreativität und Gedächtnis. Es ist eine höchst effiziente Aufbaumethode bei stressbedingten Erkrankungen sowie funktionellen Störungen. Die Behandlung wird auch erfolgreich zur mentalen Leistungssteigerung (Peak Performance) in Sport, Beruf, Schule sowie zur Kreativitätsförderung und in der betrieblichen Gesundheitsförderung eingesetzt.

Mittels Neurofeedback lernt das Gehirn jene Hirnwellen zu erhöhen, welche z.B. für entspannte Aufmerksamkeit, Kreativität oder Spitzenleistung vermehrt benötigt werden, sowie jene Hirnwellen zu reduzieren, welche Ängste, Depressionen und Stressgefühle auslösen.
Da mit Neurofeedback gezielt Aktivität und Selbstregulierungsfähigkeit des zentralen Nervensystems trainiert werden können, sind die Anwendungsmöglichkeiten entsprechend vielfältig.

Wie hilft Neurofeedback bei ADHS?

ADHS ist eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung, die sich in Verhaltensauffälligkeiten zeigt. Als Hauptursache wird eine zentrale Regulationsstörung im Gehirn vermutet, sowie eine gestörte Informationsverarbeitung zwischen den verschiedenen neuronalen Netzwerken. Denn zwischen den Aktivitätsmustern im Gehirn und dem Verhalten der Betroffenen besteht ein direkter Zusammenhang.

Neurofeedback kann hier unmittelbar an der Ursache der Erkrankung ansetzen. Die PatientInnen erlernen durch Neurofeedback die gezielte Selbstregulation der eigenen Gehirnaktivität und können so Symptome positiv beeinflussen und damit die Herausforderungen des Alltags besser meistern.

Die Therapie wird mittlerweile von der American Peadiatrics Society als evidenzbasierte Behandlungsmethode für ADHS vorgeschlagen. In Deutschland wird Neurofeedback in der S3 Leitlinie zur Behandlung von ADHS angeführt. Auch das österreichische Gesundheitsministerium erwähnt Neurofeedback als Behandlungsoption in seinem ADHS Bericht 2013.

Wie hilft Neurofeedback bei Autismus?

Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) sind tiefgreifende Entwicklungsstörungen und beinhalten Veränderungen der neuronalen und psychischen Entwicklung. Kinder mit einer ASS können auch psychische Störungen wie Angststörungen, Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder Depressionen entwickeln. Für autistische Menschen besteht ein höheres Risiko, an psychischen Störungen zu erkranken, die wiederum die autismusspezifischen Symptome verstärken können. Die Behandlung komorbider psychischer Störungen mit verhaltenstherapeutischen Methoden (z.B. Ergotherapie, Neurofeedback, u.a.) und gegebenenfalls auch begleitend mit Medikamenten ist daher empfehlenswert. Betroffene Kinder können so lernen, ihr Verhalten besser zu kontrollieren und sich damit leichter in ihrer Krankheit zurechtzufinden.

Erste Studien belegen, dass Neurofeedback bei der Behandlung beeinträchtigender Symptome wie zum Beispiel repetitiven Verhaltensweisen, sozialer Isolation und Defiziten der Sprachentwicklung erfolgreich eingesetzt und auch von Kindern mit ASS grundsätzlich erlernt werden können. Insbesondere zeichnen sich hier Erfolge bei begleitender ADHS-Symptomatik ab, wobei eine leitliniengerechte Diagnose die Basis für eine Behandlung bilden sollte.

Wie hilft Neurofeedback in der Long-COVID Therapie?

Neben der Erforschung der akuten Covid-19-Erkrankung rücken mittlerweile auch die mittel- und längerfristigen Folgen der Infektion in den Fokus der Aufmerksamkeit. Es mehren sich die Erkenntnisse, dass einige Betroffene nach überstandener Akuterkrankung – auch einer symptomarmermen Erkrankung – noch länger mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen rechnen müssen.

In diesem Zusammenhang könnte Neurofeedback dazu beitragen, neurokognitive und psychiatrische Symptome wie Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, Depression und Angst sowie Schmerzzustände zu verbessern. Auch in Kombination mit einer bestehenden medikamentösen Therapie, kann diese Therapie eine sinnvolle Ergänzung in der Behandlung von Long-COVID darstellen, auch wenn wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse hierzu noch ausstehen.

Neurofeedback als mentales Leistungstraining

An stressbedingten Erkrankungen, mentalen Störungsbildern oder ungewollten Verhaltensmustern, die auf eine Fehlregulierung der Gehirnaktivität zurückzuführen sind, leiden auch Athleten, Künstler oder Studenten. Damit sie sich im Bedarfsfall Zugang zu Ressourcen wie höchster Konzentration, innerer Gelassenheit und absolutem Selbstvertrauen verschaffen können, kann Neurofeedback zur Steigerung von persönlichen Hochleistungen eingesetzt werden.

Es verbessert die Wahrnehmung und verlängert die Konzentrationsphasen. Neben einer gesteigerten mentalen Leistungsfähigkeit kann dies auch zu einem höheren Selbstwertgefühl führen. Damit kann eine optimale Handlungsumsetzung auch unter Wettbewerbs- und Belastungsbedingungen gefördert werden.

Wie hilft Neurofeedback in der betrieblichen Gesundheitsförderung?

In der betrieblichen Gesundheitsförderung stehen die Themen Stresstoleranz, Konzentration und Merkfähigkeit, sowie Burnout-Prophylaxe im Vordergrund. Neurofeedback hilft dabei, die Stresstoleranz zu steigern, verbessert die Wahrnehmung und verlängert Konzentrationsphasen. Neben einer verbesserten mentalen Leistungsfähigkeit kann dies ebenfalls zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls und zu mehr Lebensfreude beitragen.

Gastbeitrag von Dr.Michaela Gleußner, Neurologie & Psychiatrie, Neurofeedback Therapie

FAQ

Einige Beispiele für mögliche Anwendungsgebiete von Neurofeedback sind: ADHS, Long-Covid, Autismus, Migräne, Epilepsie, Burnout, Schlafstörungen oder chronischen Schmerzen.

Neurofeedback Sitzungen sind bei den Krankenkassen leider nicht erstattungsfähig. Manche privaten Zusatzversicherungen übernehmen einen Teil der Behandlungskosten, wieviel übernommen wird ist von der Zusatsversicherung abhängig.

Nein, beim Neurofeedback werden den Patient:innen keine Stromstöße verabreicht, die Elektroden sind aufgeklebt und messen die Hirnaktivität und verursachen keine Schmerzen.

Biofeedback misst und beeinflusst körperliche Funktionen wie Muskelspannung und Atmung. Neurofeedback ist eine spezielle Form des Biofeedbacks, das sich auf die Überwachung und Beeinflussung der Gehirnaktivität konzentriert.

  • Autor

    Dr. med. Michaela Gleußner

    Dr. Michaela Gleußner ist eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie mit einer umfassenden Ausbildung in Neurophysiologie. Im Jahr 2012 gründete sie zusammen mit Thomas Flatz das BrainBalance NeuroFeedback Institut. Darüber hinaus ist Dr. Gleußner als Autorin von Fachbüchern und zahlreichen Artikeln im Bereich Neurofeedback tätig.

Interdisziplinäre evidenz- und konsensbasierte (S3) Leitlinie „Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter“, AWMF-Registernummer 028-045, awmf online, 6/2018

Flatz, T., Gleußner, M., „Das Gehirn trainiert sich selbst – Neurofeedback einfach erklärt“, NWV Neuer wissenschaftlicher Verlag, Wien Graz 2017

Prinz W., Neurofeedback als Spezialtherapieangebot, Psychopraxis-Neuropraxis, Springer, 5/2015
Flatz, T., Gleussner, M., Neurofeedback bei ADHS und Autismus, Pädiatrie und Pädologie, Springer, 1/2014

Rendi-Wagner P., Arrouas M., AD(H)S – Aufmerksamkeits-Defizit / Hyperaktivitäts- Störung Bericht, Bundesministerium für Gesundheit, Wien, 6/2013

Haus K.M. et al, Praxisbuch Biofeedback und Neurofeedback, Springer 2013

https://www.neurofeedback-institut.at/indikation, Zugriff: Mai 2024

https://neurofeedback-netzwerk.org, Zugriff: Mai 2024

https://www.neurofeedback-institut.at/neurofeedback/was-ist-neurofeedback/, Zugriff: Mai, 2024

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