Unerklärbarer, extremer Gewichtsverlust (Kachexie) zeigt in sehr vielen Fällen eine Krebserkrankung an. Acht von zehn KrebspatientInnen leiden an einer lebensbedrohlichen Abmagerung und ein Fünftel stirbt sogar daran. Warum die Kachexie entsteht, war bisher nicht geklärt. ForscherInnen der Uni Graz um Martina Schweiger vom Institut für Molekulare Biowissenschaften haben nun einer Erklärung für diesen Gewichtsabbau gefunden: Schuld ist eine fehlerhafte Kommunikation zwischen verschiedenen Zelltypen.
Schaut man dann auf die Entzündungswerte in Blut oder Geweben, wird offensichtlich, dass der ganze Körper in Alarmbereitschaft ist. Denn Tumore von Kachexie-PatientInnen entsenden entzündliche Faktoren ins Blut, die die Immunzellen stimulieren. Die Fresszellen im Immunsystem erkennen die Bedrohung und entsenden das Kommando zum Fettabbau, damit der Körper diese gespeicherte Energie zur Abwehr nutzen kann. Die Fettmasse (und auch Muskel) werden daraufhin zwar abgebaut, der Krebs aber nicht bekämpft, weil sich der Tumor geschickt vor den Fresszellen versteckt. Schweiger: ,,Die Anstrengungen verpuffen also im Nichts. Die Fress-, Fett und Nervenzellen geben einander weiter das Kommando zum Abbau. Währenddessen wächst der Tumor ungestört. Der Körper wird immer schwächer und Therapien müssen schließlich abgebrochen werden.“
Die Untersuchung der WissenschafterInnen erlaubt völlig neue Einblicke in diese Abläufe. Bisher ist man davon ausgegangen, dass der Tumor selbst das Signal für den Fettabbau gibt. ,,Nun ist aber klar, dass verschiedene Zelltypen aneinander vorbei kommunizieren, während der Krebs das Immunsystem austrickst. Unser Ziel ist jetzt, einen Weg zu finden, wie wir diesen Teufelskreis durchbrechen können“, meint die Forscherin.
Referenz:
Universität Graz, MedUni Wien, Tsinghua University Beijing, Nantong University
An immune-sympathetic neuron communication axis guides adipose tissue browning in cancer-associated cachexia, PNAS 2022; https://www.pnas.org/content/119/9/e2112840119