Was sind Pneumokokken?
Pneumokokken sind Bakterien der Gattung Streptococcus pneumoniae. Sie gehörten in die Gruppe der Diplokokken, d.h. runder und paarweise gelagerter Bakterien. Heute sind mehr als 90 unterschiedliche Typen von Pneumokokken bekannt, viele von ihnen können bei einer Infektion unterschiedliche und teils sehr gefährliche Krankheiten verursachen.
Pneumokokken werden durch eine Tröpfcheninfektion von einer Person auf die andere übertragen. Eine Tröpfcheninfektion bezeichnet das Versprühen kleinster, mit einem Erreger infizierter Tröpfchen, wie etwa beim Niesen, Husten oder Sprechen. Dabei gelangen die pneumokokkenhaltigen Tröpfchen beim Atmen in die Luft und werden zusammen mit dieser von einer anderen Person aufgenommen, wo sie sich anschließend in den Schleimhäuten von Nase und Rachen festsetzen und vermehren. Erkrankte Personen sollten daher aufgrund der sehr hohen Ansteckungsgefahr von öffentlichen Einrichtungen wie dem Kindergarten, der Schule und dem Arbeitsplatz fernbleiben und die Erkrankung entsprechend behandeln lassen.
Die Inkubationszeit von Pneumokokken, d.h. die Zeit zwischen der Infektion mit den Erregern und dem Auftreten der ersten krankheitstypischen Symptome, beträgt zwischen einem und mehreren Tagen. Da jedoch viele Menschen die Erreger in sich tragen und dabei keine Symptome aufweisen, trifft diese Inkubationszeit nicht in jedem Fall zu.
Wer ist gefährdet?
Bei gesunden Menschen mit einem normal starken Immunsystem rufen Pneumokokken keine Entzündungen hervor, da das körpereigene Abwehrsystem in diesen Fällen in der Lage ist einen Krankheitsausbruch zu verhindern. Bei Säuglingen, Kleinkindern, älteren Menschen sowie bei Personen mit einem bereits geschwächten Immunsystem (z.B. bei Patienten mit Mukoviszidose, COPD (chronisch obstruktive Lungenkrankheit), einem Lungenemphysem, Diabetes mellitus, einer HIV-Infektion, Krebs oder diversen Allergien) können die Bakterien jedoch wesentlich leichter Entzündungen verursachen und im Fall einer Infektion die körpereigene Abwehr schwächen und dadurch auch das Risiko für eine andere Infektion, beispielsweise durch Viren, erhöhen.
Ältere Patienten sind auch durch Spitalsaufenthalte gefährdet. Eine Pneumokokken-Infektion zählt zu den häufigsten der sogenannten ambulant erworbenen Infektionen. Aufgrund der zunehmenden Resistenzen bei antibiotischen Therapien kann die Behandlung dieser Infektionen eine besondere Herausforderung darstellen.
Pneumokokkenbedingte Krankheiten
Rund ein Viertel der bekannten Pneumokkokentypen ist für 90 Prozent aller Pneumokokken-bedingten Erkrankungen verantwortlich. Zu den häufigsten Pneumokokken-bedingten Krankheiten zählen Lungenentzündung, Mittelohrentzündung, Nebenhöhlenentzündung, Gehirnhautentzündung und Blutvergiftung. Zudem kann sich die Infektion auf die Hornhaut sowie in viele andere Körperbereiche ausbreiten.
Lungenentzündung (Pneumonie): Etwa die Hälfte aller Lungenentzündungen wird durch Pneumokokken verursacht. Ähnlich wie bei anderen Pneumokokken-bedingten Entzündungen haben auch bei der Pneumonie besonders kleine Kinder und ältere Menschen aufgrund des schwächeren Immunsystems ein höheres Erkrankungsrisiko.
Typische Symptome einer Lungenentzündung sind Husten, Schmerzen im Bereich der Brust, hohes Fieber, Probleme beim Atmen bzw. Atemnot, Schüttelfrost, allgemeine Müdigkeit, Erschöpfung, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Gliederschmerzen, wobei nicht alle Symptome gleichzeitig auftreten müssen. In den meisten Fällen setzen die Symptome plötzlich ein. Bei gesunden Menschen heilt eine behandelte Lungenentzündung nach zwei bis drei Wochen wieder ab, das Fieber geht nach etwa einer Woche zurück. Dennoch kommt es im Zuge des Krankheitsverlaufs häufig zu Komplikationen. Vor allem bei älteren Menschen kann eine Lungenentzündung nach wie vor zum Tod führen.
Akute Mittelohrentzündung (Otitis media acuta): Die akute Mittelohrentzündung bezeichnet eine Entzündung der Schleimhaut im Mittelohr, bei welcher die Pneumokokken über die Eustachische Röhre (Ohrtrompete) aus dem Nasen- und Rachenraum ins Mittelohr gelangen. Die Ohrtrompete ist u.a. für den Druckausgleich im Mittelohr verantwortlich. Da sie bei Kindern noch kürzer ist als bei Erwachsenen, sind vor allem Kinder sehr häufig von einer Mittelohrentzündung betroffen. Typische Symptome einer Mittelohrentzündung sind ein permanentes Druckgefühl und stechende Schmerzen im Ohr, ein vermindertes Hörvermögen, Fieber, allgemeine Abgeschlagenheit sowie ein zumeist leicht blutiger Ausfluss aus dem Ohr. Die Prognose ist für gewöhnlich sehr gut, allerdings kann die akute Mittelohrentzündung in eine chronische Entzündung übergehen. Zudem sind Komplikationen wie eine Entzündung und Schädigung des Innenohres und eine Verschlechterung des Hörvermögens möglich.
Nasennebenhöhlenentzündung (Sinusitis): Neben Streptokokken und Staphylokokken zählen Pneumokokken zu den Erregern der Nasennebenhöhlenentzündung, bei welcher die Schleimhäute der Nasennebenhöhlen entzündet sind. Die Entzündung kann dabei alle Nebenhöhlen der Nase, d.h. Stirn-, Keilbein- und Kieferhöhlen, betreffen. Auch können alle Nasennebenhöhlen gleichzeitig entzündet sein. Die Symptome hängen mitunter von den betroffenen Nebenhöhlen ab und reichen von Schnupfen, Husten, starken Kopf- und Zahnschmerzen über Fieber, Sehstörungen und einem verminderten Geruchsempfinden bis hin zu Müdigkeit, allgemeiner Abgeschlagenheit und starkem Mundgeruch.
Hornhautentzündung (Keratitis): Die Hornhaut ist der vordere Teil der äußeren Augenhaut und für die Lichtbrechung verantwortlich. Wenn die Bakterien ins Auge eindringen, kommt es zu einer Entzündung der Hornhaut, was mitunter zu einer Sehverschlechterung führen kann. Bei gesunden Menschen mit einer intakten Hornhaut können die Erreger prinzipiell nicht eindringen. Bestimmte Risikofaktoren wie eine Immunschwäche oder mangelnde Hygienemaßnahmen, etwa beim Sauberhalten von Kontaktlinsen, begünstigen die Infektion sowie ein Vordringen der Bakterien in tiefere Hornhautschichten. Zu den Symptomen einer Hornhautentzündung zählen gerötete Augen, Schmerzen und ein Fremdkörpergefühl im Auge sowie eine erhöhte Lichtempfindlichkeit.
Gehirnhautentzündung (Meningitis): Die Hirn- und Rückenmarkshäute schützen das Gehirn und das Rückenmark. Sind sie entzündet, etwa durch eine Pneumokokken-Infektion, ist von einer Meningitis die Rede. Die Gehirnhautentzündung ist lebensbedrohlich und führt ohne entsprechende Behandlung zum Tod. Zu spät behandelt zählen Taubheit, Nervenerkrankungen und kognitive Einschränkungen zu den möglichen Folgeschäden. Zu den wichtigsten Symptomen der Meningitis zählen Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule, Kopfschmerzen, Fieber, Übelkeit und Erbrechen. Zudem leiden Patienten häufig unter allgemeiner Abgeschlagenheit, Benommenheit, Licht- und Lärmempfindlichkeit.
Blutvergiftung (Sepsis): Bei einer Sepsis handelt es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung, die den gesamten Kreislauf und alle Organe in Mitleidenschaft zieht. Ursache für die Blutvergiftung sind unterschiedliche Krankheitserreger, darunter Pneumokokken, die sich über das Blut im gesamten Körper ausbreiten und so eine schwere Abwehrreaktion auslösen. In vielen Fällen ist die Blutvergiftung Folge einer anderen Krankheit, beispielsweise einer Lungen- oder Gehirnhautentzündung. Die Bakterien gelangen vom jeweiligen Entzündungsherd in den Blutkreislauf, wodurch sich die Entzündung in weiterer Folge im gesamten Organismus ausbreiten kann. Symptome zu Beginn einer Sepsis sind Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Schüttelfrost sowie ein erhöhter Herzschlag. Der weitere Krankheitsverlauf ist durch Probleme mit unterschiedlichen Organen wie den Nieren, der Leber, dem Darm und dem Herz gekennzeichnet, die mitunter aufgrund von auftretendem Sauerstoffmangel Schaden nehmen.
Wie weist man Pneumokokken nach?
Pneumokokken-Infektionen werden üblicherweise mit Antibiotika therapiert, wobei vor allem Penicillin G und Cephalosporine wie Cefuroxim, Cefaclor, Cefpodoxim, Cefotaxim und Ceftriaxon eingesetzt werden. Wirksam sind auch Makrolide (Clarithromycin, Roxithromycin oder Azithromycin) oder das Ketolid Telithromycin. Hornhautentzündungen werden mit antibiotischen Augentropfen therapiert.
Da pneumokokkenbedingte Erkrankungen vor allem bei älteren Menschen, Kleinkindern sowie bei Patienten mit chronischen Krankheiten wie Diabetes mellitus, Krebs oder einer HIV-Infektion einen schwerwiegenden Verlauf nehmen können, ist bei diesen Risikogruppen oftmals eine Behandlung im Krankenhaus notwendig. Die Behandlung einer Meningitis und einer Sepsis erfolgt immer im Spital, um eine möglichst genaue Überwachung des Allgemeinzustands des Patienten sicherstellen zu können. Im Fall einer Sepsis werden die Patienten auf der Intensivstation betreut, die Medikamentengabe erfolgt mittels Infusion.
Bei der Behandlung der Mittelohr- und Nasennebenhöhlenentzündung kommen zudem schleimhautabschwellende Nasensprays und Nasentropfen zum Einsatz. Bei allen Erkrankungen muss auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Da Pneumokokken-Infektionen den ganzen Körper schwächen, sollten sich Betroffene ausreichend schonen und auch einige Zeit nach Abklingen der Infektion körperbelastende Tätigkeiten meiden.
Damit es gar nicht erst zu einer Infektion kommt, sollten sich vor allem Kleinkinder, ältere Menschen und Personen mit einem erhöhten Infektionsrisiko gegen Pneumokokken impfen lassen.
Der Impfstoff
Es gibt mehr als 90 verschiedene Pneumokokken-Stämme (Serotypen). Die meisten Erkrankungen werden jedoch nur durch einige wenige Stämme verursacht und gegen diese schützt auch die Impfung. Diese kann das Risiko einer Pneumokokken-Erkrankung bzw. deren Komplikationen um bis zu 90 Prozent verringern.
Bei der Pneumokokken-Impfung handelt es sich um einen Totimpfstoff, d.h. um die Injektion von nicht-vermehrungsfähigen Bakterien. Der erste Pneumokokken-Impfstoff wurde bereits 1945 entwickelt.
Pneumokokken-Impfung
Bei einer Pneumokokken-bedingten Erkrankung bildet der Körper Antikörper gegen den jeweiligen Krankheitserreger. Da es jedoch mehr als 90 verschiedene Pneumokokken-Typen gibt, stellt lediglich die Pneumokokken-Impfung einen ausreichenden Schutz gegen Pneumokokken-bedingte Infektionen dar.
Durch die Injektion des Impfstoffs wird der Körper aktiv immunisiert und bildet Antikörper gegen die injizierten nicht-vermehrungsfähigen Bakterien. Somit sind im Fall einer Pneumokokken-Infektion bereits vorab ausreichend viele Abwehrstoffe im Körper vorhanden, um gegen die Infektion bzw. den Ausbruch etwaiger Erkrankungen geschützt zu sein.
Die Impfung wird Kleinkindern im 3., 5. und 12. –14. Lebensmonat empfohlen, Erwachsenen ab dem vollendeten 60. Lebensjahr (diese benötigen nur zwei Teilimpfungen). Außerdem sollten Personen, die einer Risikogruppe angehören, auf einen umfassenden Impfschutz achten, darunter Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
- Stoffwechselerkrankungen,
- Asthma und COPD (chronisch obstruktive Lungenkrankheit),
- Niereninsuffizienz,
- Krebs,
- einer HIV-Infektion,
- vor oder nach einer Organtransplantation,
- Nervenerkrankungen wie Epilepsie,
- Sichelzellanämie,
- Immundefekten und
- anderen chronischen Erkrankungen.
Auch Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 2500 Gramm und Frühgeburten haben ein erhöhtes Infektionsrisiko.
Zu den Nebenwirkungen der Pneumokokken-Schutzimpfung zählen Schwellungen, Rötungen und Hautirritationen rundum die Einstichstelle, die in den meisten Fällen von alleine wieder abklingen. Weitere Nebenwirkungen sind Fieber, Kopfschmerzen, Muskel- und Gliederschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und allgemeine Abgeschlagenheit. Diese Nebenwirkungen sind eine Reaktion auf den durch die Impfung ausgelösten Immunisierungsprozess des Körpers, der nach erfolgter Impfung mit der Bildung von Antikörpern gegen die (nicht-vermehrungsfähigen) Erreger beginnt.
Für schwangere Frauen sowie für Personen mit einer entzündlichen Krankheit, hohem Fieber und einer Allergie gegen bestimmte Bestandteile des Impfstoffes ist die Pneumokokken-Schutzimpfung ungeeignet und sollte im jeweiligen Fall nur nach individueller Absprache mit einem Arzt erfolgen.
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