Tabletten in Hand
Foto:Alexmalexra/Shutterstock

Placebos wirken auch bei bewusster Einnahme

Als Scheinmedikamente ohne pharmakologische Wirkstoffe kommen Placebos in klinischen Studien häufig als Vergleichsgröße zum Einsatz. Dass sie überraschend starke Effekte erzielen können, selbst wenn die Studienteilnehmer das Placebo wissentlich einnehmen, konnten Wissenschaftler des Universitätsklinikums Freiburg nun wissenschaftlich belegen.

„Die bewusste Einnahme eines Placebos mag zwar etwas verrückt erscheinen, aber sie hat in diesen Studien gewirkt – und damit die gezielte Täuschung der Patienten unnötig gemacht“, so Stefan Schmidt, Leiter der Sektion Systemische Gesundheitsforschung an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.

Um die Wirkung offen verabreichter Placebos wissenschaftlich zu belegen, verglich das Forschungsteam in einer systematischen Übersichtsarbeit 13 randomisierte klinische Studien mit insgesamt 834 Patienten. Die in den einzelnen Studien behandelten Diagnosen reichten von Rückenschmerzen und Reizdarmsyndrom über Depression, Fatigue und ADHS bis zu Heuschnupfen und Hitzewallungen. Den Patienten war offen mitgeteilt worden, dass sie ein Placebo erhalten. Zudem wurden sie über die prinzipielle Wirkung von Placebos informiert und um die regelmäßige Einnahme der Tabletten gebeten.

Die Metaanalyse der Studien belegte laut Schmidt die erstaunliche Wirkung: „Wir konnten erstmals wissenschaftlich gesichert zeigen, dass auch offen verabreichte Placebos wirksam sein können.“ Sollten offen verabreichte Placebos auch im Klinikalltag Anwendung finden, könnten sie anstelle der gezielten Täuschung zusätzliche Offenheit in die Beziehung zwischen Behandler und Patient bringen. Dazu braucht es allerdings weitere und größer angelegte Studien, die sich gezielt diesem Thema und Fragen wie etwa der Rolle der Erwartungshaltung des Patienten widmen.

Referenz:
Universität Freiburg
Effects of open-label placebos in clinical trials: a systematic review and meta-analysis; Nature Scientific Reports 2021; https://www.nature.com/articles/s41598-021-83148-6

#placebo #wirksamkeit #erwartung #psychologie #metaanalyse #scheinmedikament #täuschung #medizin #medimpressions

  • Autor

    Dr. Rosalia Rutter

    Medizinjournalistin

    Dr. Rosalia Rutter ist eine freie Medizinjournalistin mit einem Studium der Ernährungswissenschaften und Biochemie an der Universität Wien. Sie verfügt über langjährige Expertise im Verfassen medizinischer Inhalte.

Das könnte Sie auch interessieren
Frau mit zwei Pillen in der Hand und einem Glas Wasser

Paracetamol: Wirkung, Anwendung und Nebenwirkungen

Paracetamol ist eines der bekanntesten Schmerzmittel und wird häufig zur Linderung von Schmerzen und zur Senkung von Fieber eingesetzt. Es gehört zu den sogenannten nicht-opioiden Schmerzmitteln und ist in Form von Tabletten, Zäpfchen oder Sirup erhältlich.

Schmerzmittel Übersicht

Schmerzmittel im Überblick: Arten, Anwendung und Alternativen

Schmerz hat viele Formen, und moderne Schmerzmittel sind für die Behandlung von einfachen Kopfschmerzen bis zu chronischen Schmerzen geeignet. Die Auswahl an Schmerzmedikamenten ist groß – sie reicht von rezeptfreien Präparaten bis zu starken Opiaten.

Antibiotika-Resistenzen

Antibiotika-Resistenz

Unter Antibiotika-Resistenz versteht man die Entwicklung einer Unempfindlichkeit von Bakterien gegenüber Antibiotika. Dadurch können diese Medikamente ihre Wirkung verlieren, sodass bakterielle Infektionen nicht mehr wirksam behandelt werden können.

Frau mit einem Glas Wein und Antibiotika - Wechselwirkungen

Antibiotika & Alkohol: Was Sie wissen müssen

Antibiotika spielen eine entscheidende Rolle bei der Behandlung bakterieller Infektionen. Alkohol ist ein allgegenwärtiges Genussmittel, das für viele Menschen zum Leben dazugehört. Was aber passiert, wenn man beides kombiniert?