Patienten mit Myeloproliferativen Neoplasien (MPN), eine Gruppe bösartiger Erkrankungen des Knochenmarks, weisen in vielen Fällen eine krebserregende, mutierte Form des Gens Calreticulin (CALR) auf. Diese spezielle Art von Blutkrebs zeichnet sich durch eine gesteigerte Bildung von Blutzellen, Anfälligkeit zu Thrombosen und durch häufige Transformation zu akuter Leukämie aus. Wissenschaftler der Forschungsgruppe von Robert Kralovics am CeMM (Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) konnten nun Hämatoxylin als einen neuartigen CALR-Inhibitor identifizieren. Hämtoxylin kommt bei histologischen Färbeverfahren zum Einsatz.
Im gleichen Labor entdeckte man bereits 2013, dass bei diesen Patienten häufig krebserregende Mutationen des Gens festzustellen waren, die nun als medizinische Marker eingesetzt werden. Auch der Mechanismus, wie daraus eine Leukämie entstehen kann, wurde identifiziert. Der krebsauslösenden Wirkung der Mutationen liegt die Interaktion der N-Glykan-Bindungsdomäne von CALR mit dem Thrombopoietin-Rezeptor zugrunde. Nun zeigte Studienerstautor Ruochen Jia, dass eine Gruppe an Chemikalien, allen voran Hämatoxylin, mutierte CALR-Zellen selektiv abtöten kann. Die Ergebnisse liefern damit wertvolle Ergebnisse für potenzielle Behandlungsansätze von myeloproliferativen Neoplasien
„Unsere Studie belegt das enorme therapeutische Potenzial einer CALR-Inhibitor-Therapie“, erklärt Kralovics, „Die Behandlung von Patienten mit Primärer Myelofibrose (PMF) erzielt nach wie vor schlechte klinische Ergebnisse. Sie haben die deutlichste Tendenz dazu, eine akute myeloische Leukämie zu entwickeln. Da etwa ein Drittel der PMF-Patienten eine CALR-Mutation aufweisen, könnten diese besonders von dem neuen Therapieansatz profitieren.“
Referenzen:
CeMM, MedUni WienHematoxylin binds to mutant calreticulin and disrupts its abnormal interaction with thrombopoietin receptor, Blood 17.11.2020; DOI: https://doi.org/10.1182/blood.2020006264