Vor wenigen Jahren haben Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums eine neuartige Form infektiöser Erreger in Milchprodukten und Rinderseren entdeckt. Dabei handelt es sich um ringförmige DNA-Elemente, die Ähnlichkeiten mit Sequenzen bestimmter bakterieller Plasmide aufweisen. Nach ihrem „Fundort“ wurden sie als „Bovine Meat and Milk Factors“(BMMFs) bezeichnet.
Mittlerweile wurden über hundert verschiedene dieser DNA-Ringe aus Milchprodukten isoliert, die sich in menschlichen Zellen vermehren und dazu ein bestimmtes Protein (Rep) benötigen. Neuere Untersuchungen belegen jetzt, dass sich BMMFs in 15 von 16 Darmkrebs-Gewebeproben nachweisen lassen. Betroffen sind dabei nicht die Krebszellen selbst, sondern die Zellen in der nächsten Umgebung der Tumoren. Dies erhärtet den Verdacht, dass BMMFS ursächlich an der Entstehung von Tumoren beteiligt sein könnten.
Ein Indiz dafür ist die Anwesenheit entzündungsfördernder Makrophagen (Fresszellen) in direkter Umgebung der Tumoren, wobei chronische Entzündungen als Krebstreiber bekannt sind. Tatsächlich wurden bei 7,3 Prozent aller Darmzellen in der Tumorumgebung typische Genveränderungen nachgewiesen (Kontrollgruppe: 1,7 Prozent). Nachgewiesenen wurden auch erhöhte Spiegel an reaktiven Sauerstoffverbindungen, die Erbgutveränderungen in den Stammzellen, die für die ständige Regeneration der Darmschleimhaut verantwortlich sind, auslösen könnten.
BMMFs werden von den Forschern nun als indirekte Krebserreger eingestuft, die über lange Zeit auf die sich teilenden Zellen der Darmschleimhaut einwirken. Dieses Wissen ließe sich auch präventiv nutzen, so könnte bspw. ein frühzeitiger Nachweis von Genveränderungen besonders gefährdete Personen identifizieren, die dann rechtzeitig die Darmkrebsvorsorge in Anspruch nehmen könnten.
Referenz:
DKFZ, HeidelbergAnalysis of chronic inflammatory lesions of the colon for BMMF Rep antigen expression and CD68 macrophage interactions, PNAS 2021; https://www.pnas.org/content/118/12/e2025830118/tab-article-info