Je älter wir werden, desto langsamer reagieren wir auf externe Reize. So lautet die gängige Annahme. Um diese These zu überprüfen, werteten Wissenschaftler Daten aus einer groß angelegten amerikanischen Studie neu aus. In dem Online-Experiment mit über einer Million Teilnehmern mussten die Probanden durch Drücken einer Taste Bilder den Kategorien „weiße“ oder „schwarze“ Personen sowie Wörter den Kategorien „gut“ oder „schlecht“ zuordnen. Die Forscher nutzten den großen Datensatz als Beispiel für eine Reaktionszeitaufgabe, bei der die Dauer kognitiver Entscheidungen gemessen wurde.
Bei der Auswertung der Daten wurde zwar festgestellt, dass die Reaktionszeiten der Probanden mit zunehmendem Alter durchschnittlich anstiegen, dieses Phänomen lässt sich aber nicht auf Veränderungen der mentalen Verarbeitungsgeschwindigkeit zurückführen. „Vielmehr sind ältere Probanden aus unserer Sicht vor allem deshalb langsamer, weil sie vorsichtiger antworten und sich mehr auf die Vermeidung von Fehlern konzentrieren“, erklärt Studienautorin Mischa von Krause, Universität Heidelberg. Gleichzeitig sinkt über den Verlauf des Erwachsenenlebens die motorische Reaktionsgeschwindigkeit: Ältere Teilnehmer brauchten länger, um die passende Taste zu drücken, nachdem sie die richtige Antwort gefunden hatten.
Erst bei Teilnehmern mit einem Alter von über 60 Jahren zeigte sich, dass auch die durchschnittliche Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung fortschreitend abnahm. „Es sieht so aus, als ob wir im Verlauf eines typischen Berufslebens keine wesentlichen Einbußen bei der mentalen Verarbeitungsgeschwindigkeit befürchten müssen“, so Krause. Gezeigt hat sich aber, dass es unter den Probanden in allen Altersgruppen Menschen mit hoher und niedriger mentaler Verarbeitungsgeschwindigkeit gab.
Referenz:
Universität Heidelberg
Mental speed is high until age 60 as revealed by analysis of over a million participants, Nature Human Behaviour 2022; https://www.nature.com/articles/s41562-021-01282-7