Zusammenfassung
Factbox – Leisure Sickness
Synonym: Leisure Sickness, Freizeit-Krankheit
Definition: das Phänomen des Krankwerdens in Leerlaufzeiten wie Wochenenden oder Urlaubszeiten
Symptome: Kopf-, Magen-, Gliederschmerzen, Verspannungen, Herzprobleme, Müdigkeit, allgemeines Unwohlsein u. a. m.
Ursachen: Hauptursache scheint Dauerstress und dessen Auswirkung auf den Körper zu sein, Ruhezeiten gehen mit einem „Hormonentzug“ einher, der sich in den genannten Beschwerden äußert
Behandlung: symptomatische Behandlung des jeweiligen Krankheitsbildes, Ruhe oder Bewegung
Prävention: Leisure Sickness ist ein Warnsignal und sollte ernst genommen werden. Wer darunter leidet sollte sein Stresslevel auch während des Jahres herunterfahren und Methoden finden, die im Beruf und im Alltag „entstressen“
Was heißt schon Leisure Sickness?
Psychologen ist dieser Zustand der „Feizeit-Krankheit“ schon länger bekannt, erstmals erwähnt wurde der Begriff „Leisure Sickness“ aber erstmals von zwei niederländischen Psychologen der Universität Tilburg in einer wissenschaftlichen Publikation, die 2002 veröffentlicht wurde. Den Wissenschaftlern war aufgefallen, dass viele Menschen in ihrer Freizeit, also an Wochenenden oder im Urlaub krank wurden. Ausgehend von dieser Beobachtung untersuchten sie in Folge, welche Personen besonders von diesem Phänomen betroffen sind und welche Symptome diese aufweisen. Vorangetrieben wurden die Studien auch deshalb, da einer der beiden Untersucher selbst an der Wochenend-Erkrankung litt.
Definiert wird das Leiden als ein Phänomen des Krankwerdens in Leerlaufzeiten und dem Unvermögen, entspannen zu können.
Symptome: Wie äußert sich die Freizeit-Erkrankung?
Betroffene leiden häufig unter grippeähnlichen Symptomen und einem ausgeprägten Krankheitsgefühl, das zumindest in den ersten Urlaubstagen anhält.
Zu den am häufigsten genannten Symptomen zählen:
- Kopfschmerz, Migräne
- Erschöpfung und Antriebslosigkeit
- Muskel- und Gliederschmerzen
- Übelkeit, Magenschmerzen
- Erhöhter Ruhepuls und Blutdruck
- Ungewohnte Müdigkeit
- Infekte
- Verspannung
- Rückenprobleme
- Psychische Verstimmung
- Schlafstörungen
Die Folgen einer Missachtung der Symptome können zu weiteren Erkrankungen wie etwa der Entwicklung einer Depression oder im schlimmsten Fall, zu einem vollständigen Zusammenbruch im Sinne eines Burnouts führen. Studien sprechen auch von einem Anstieg der Todesrate während der Ferien, ausgelöst durch Schlaganfälle und Herzinfarkte.
Wer erkrankt an Leisure Sickness?
Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass zumindest drei bis vier Prozent aller Menschen regelmäßig an Leisure Sickness leiden. Wobei lifestyle-bedingt möglicherweise bis zur Hälfte aller Menschen bereits über Erfahrungen mit dem Leiden verfügen.
Typischerweise betrifft die Erkrankung Menschen mit einer andauernden Arbeitsüberlastung (workaholics) und einem hohen Verantwortungsgefühl. Diese haben offenbar verlernt, sich auch im Alltag zu entspannen und abzuschalten bzw. können dies aufgrund der Überbelastung auch nicht tun. Gefährdet sind insbesondere engagierte Perfektionisten mit einem teilweise überentwickelten Verantwortungs- oder Pflichtgefühl, Menschen mit hohen Ansprüchen an sich selbst und solche, die sich besonders stark mit ihrer Arbeit identifizieren. Dies gilt für Berufstätige wie auch Personen, die sich im Haushalt oder der Kindererziehung engagieren.
Leisure Sickness zieht sich also durch alle Berufsgruppen und betrifft nicht nur Führungskräfte, sondern vermehrt Selbstständige oder Angestellte, die ihre Arbeit mit nach Hause nehmen. Ein anstrengender Beruf per se ist nicht zwangsweise mit der Entwicklung der Leisure Sickness verknüpft, sondern ihr Umgang damit. Eine Befragung in Deutschland wies nach, dass Menschen, die besonders häufig an der Freizeit-Krankheit leiden, eher dazu neigen, auch während ihrer Freizeit immer beruflich erreichbar zu sein.
Auffällig in den Untersuchungen war auch, dass Personen, die verstärkt von Leisure Sickness betroffen sind eher dazu neigen, unbezahlte Überstunden in Kauf zu nehmen.
Was sind die Ursachen der Freizeit-Krankheit?
Hauptursache der Erkrankung scheint der Dauerstress zu sein, an den sich der Körper über gewisse Zeiträume hin „anpasst“. „In langen Stressperioden wird permanent Noradrenalin ausgeschüttet,“ meint etwa der Neuropsychologe und Stressforscher Dirk Hellhammer in einem Interview zum Thema: „Ist die Stressperiode dann vorbei, etwa am Feierabend oder im Urlaub, ist die normale Versorgung mit dem Botenstoff nicht mehr sichergestellt, weil die Ressourcen verbraucht sind und nicht hinreichend neues Noradrenalin produziert werden konnte.“ Auch das Hormon Kortisol spielt hier mit.
Zum Tragen kommen die Symptome der Freizeit-Erkrankung meist erst dann, wenn das „Hormon-Doping“ heruntergefahren wird. Der Hormonentzug macht müde, antriebslos und führt dazu, dass man sich krank fühlt. Da es durch den Hormonabfall zu einer Schwächung des Immunsystems kommt, wir man anfällig für Infektionen, da Viren und Bakterien nun freie Hand haben. Plus: der Hormoncocktail hat auch anhaltende körperliche Auswirkungen und äußert sich in einem Blutdruckanstieg, einer flacheren Atmung und angespannter Körperhaltung, was sich langfristig ebenfalls nachteilig auswirkt.
Eine weitere Erkenntnis von Untersuchungen: Personen, die verstärkt an Leisure Sickness leiden, klagen häufiger über einen schlechten und unruhigen Schlaf und finden auch deshalb keine Erholung.
In Frei-Zeiten kommt es oft auch zu tiefreichenden Veränderungen des Lebensstils: Man trinkt mehr oder auch weniger Kaffee und Alkohol, ändert seine Rauchgewohnheiten, geht später ins Bett und steht später auf. Diese Verhaltensänderung im Lebensrhythmus kann sich bei vielen ebenfalls nachteilig auf die Gesundheit auswirken.
Leisure Sickness: Auswege aus der Arbeitsfalle
Leisure Sickness ist ein Warnsignal, das ernst genommen werden sollte, darüber sind sich alle Experten einig.
Möglichkeiten, Leisure-Sickness vorzubeugen und der Erkrankung zu entgehen, gibt es einige. Die wichtigste Botschaft an Betroffene lautet jedoch, seine Ansprüche an die eigene Arbeitsleistung herunterzuschrauben und eine gewisse Distanz zur Arbeit herzustellen. Gelingen kann dies etwa durch ein Achtsamkeitstraining, progressive Muskelentspannung, Yoga oder auch Sport.
Wichtig ist auch, sich selbst öfters im Jahr aktiv aus der Arbeitsspirale zu befreien und mehrere kurze Auszeiten (wenn möglich mit ausgeschaltetem Smartphone) zu nehmen. Dieses „Urlaubstraining“ empfiehlt sich auch im Arbeitsalltag: kleine Pausen sollten dazu genutzt werden, sich der Dauerspannung bewusst zu werden, um Mittel und Wege zu finden, die einen wieder zur Ruhe kommen lassen. Wer das erlernt, braucht sich auch vor der nächsten Auszeit nicht mehr zu fürchten.
Vingerhoets, A. J. J. M., van Huijgevoort, M., & van Heck, G. L.: Leisure Sickness: A pilot study on its Prevalence, Phenomenology, and Background, Psychotherapy and Psychosomatics 2002; https://research.tilburguniversity.edu/en/publications/leisure-sickness-a-pilot-study-on-its-prevalence-phenomenology-an
Heise Pamela: Stress in der Freizeit: zwischen Copingstrategien und Leisure Sickness; Fachtagung Hochschule Bremen 2016; https://media.suub.uni-bremen.de/bitstream/elib/4339/1/Tagungsband-BFK4-PDFA.pdf#page=69
Möller Claudia: Leisure Sickness, IUBH Touristik Radar 2017, University of applied Sciences, Bonn; https://www.iu.de/forschung/projekte/sonstige-forschungsprojekte/
Buchenau Peter, Balsereit Birte: Chefsache Leisure Sickness: Warum Leistungsträger in ihrer Freizeit krank werden; Springer Fachmedien Wiesbaden 2015