Zusammenfassung
Factbox – Ischämie
Ischämie: Durchblutungsstörung, Minder-/Mangeldurchblutung; verminderte oder aufgehobene Durchblutung eines Gewebes
Formen: Relative Ischämie (unzureichende Blutversorgung), absolute Ischämie (komplettes Unterbleiben der Durchblutung); passagere Ischämie (vorrübergehende Ischämie), kritische Ischämie (länger andauernde Minderversorgung)
Beispiele: Durchblutungsstörungen im Bereich der Hände und Füße, zerebrale (das Gehirn betreffende) Ischämie (z. B. transitorische ischämische Attacke, Schlaganfall), akute Extremitätenischämie, Koronare Herzkrankheit (ischämische Herzkrankheit) u. a.
Ursachen: Arteriosklerose (”Gefäßverkalkung”), periphere arterielle Verschlusskrankheit, Embolien, Thrombosen, bestimmte Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, bestimmte hämatologische Erkrankungen, traumatische Gefäßschädigungen u. a.
Risikofaktoren: Unausgewogene Ernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht, Adipositas, erhöhter Blutdruck, erhöhte Blutfettwerte (Hypercholesterinämie), Diabetes mellitus, Rauchen, erhöhter Alkoholkonsum u. a.
Symptome: Abhängig von Lokalisation, Ursache, Form, Ausmaß der Ischämie und anderen Faktoren; Abblassen, Funktionsverlusten des betroffenen Gewebes/Organs, Schmerzen, neurologische Symptome (zerebrale Ischämie), Druckgefühl und stechende Schmerzen im Brustbereich (ischämische Herzkrankheit), Nekrose u. v. m.
Diagnose: Abhängig von Lokalisation, Ursache, Form, Ausmaß der Ischämie und anderen Faktoren; umfassende Anamnese, körperliche Untersuchung, Blutuntersuchungen, CT, MRT, Duplexsonographie, Angiographie, EKG, Echokardiographie u. a.
Therapie: Abhängig von Lokalisation, Ursache, Form, Ausmaß der Ischämie und anderen Faktoren; medikamentöse Therapie, endovaskuläre Therapie, operative Behandlungsmaßnahmen, lebensstilgebundene Maßnahmen u. a.
Was ist Ischämie?
Bei einer Ischämie wird ein Gewebe unzureichend oder nicht mehr durchblutet. Bei einer relativen (inkompletten) Ischämie ist der Blutfluss unzureichend, bei einer absoluten (kompletten) Ischämie bleibt die arterielle Durchblutung – und damit die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen – gänzlich aus.
Unterschieden werden Ischämien außerdem hinsichtlich ihrer Dauer: Tritt die Minderversorgung mit Blut nur vorübergehend auf, ist von einer passageren Ischämie die Rede, dauert die Ischämie länger an, insbesondere länger als vom jeweiligen betroffenen Gewebe toleriert, von einer kritischen Ischämie. Eine vorübergehende Ischämie kann ein Warnzeichen für ein drohendes ernsthaftes Ereignis bzw. eine drohende ernsthafte Erkrankung sein – so ist beispielsweise eine flüchtige Minderdurchblutung im Gehirn – eine sogenannte transitorische ischämische Attacke – ein Frühwarnzeichen für einen möglichen Schlaganfall.
Die Auswirkungen einer Ischämie sind abhängig vom Sauerstoffbedarf des jeweiligen Gewebes. So hat das Gehirn einen hohen Sauerstoffbedarf und damit eine geringe Ischämietoleranz, was bedeutet, dass bereits eine kurzzeitige Unterbrechung des Blutflusses und der Sauerstoffversorgung von nur wenigen Minuten zu nicht rückkehrbaren Schäden und bis zum Tod führen können.
Im Gegensatz zum Gehirn, dem bei Durchblutungsstörungen bzw. dem kompletten Unterbleiben der Durchblutung nur wenige Minuten Zeit bleiben, haben andere Gewebe und Organe ein paar Minuten länger Zeit und damit eine etwas höhere Ischämietoleranz, also Fähigkeit mit einem Ausfall der Blutversorgung ”fertig zu werden”, als das Gehirn. Eine Ischämie ist oftmals auf Arteriosklerose (”Gefäßverkalkung”) zurückzuführen.
Ursachen und Risikofaktoren
Bei einer Ischämie kommt es zu einer verminderten oder aufgehobenen Durchblutung eines Gewebes/Organs, was auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden kann, darunter Arteriosklerose, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK, ”Schaufensterkrankheit”; entsteht zumeist in Folge von Arteriosklerose), embolischer Gefäßverschluss (Embolie; z. B. Thromboembolie, bei welcher ein Gefäß durch einen Thrombus verlegt bzw. verschlossen wird), bestimmte Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, bestimmte hämatologische (das Blut betreffende) Erkrankungen, traumatische Gefäßschädigungen, akute Verschlüsse von endovaskulär oder chirurgisch behandelten Gefäßabschnitten u. a.
Zerebrale Ischämien
Das Gehirn betreffende Ischämien (zerebrale Ischämien) werden durch eine Beeinträchtigung bzw. Unterbrechung der Blutversorgung des Gehirns verursacht, was mit der Zeit zum Untergang von Gewebe im betroffenen Hirnareal führt.
Unterschieden werden der Hirninfarkt (ischämischer Schlaganfall), dem u. a. Thrombosen (führen zur Bildung eines Blutgerinnsels/Thrombus), Embolien oder Stenosen (Verengungen) bestimmter Arterien wie z. B. der Halsschlagader oder der Wirbelarterie zugrundeliegen können, sowie passagere – also vorübergehende – Ereignisse wie die transitorische ischämische Attacke (TIA).
Eine TIA ist zumeist auf Mikroembolien (kleine Blutgerinnsel) zurückzuführen, die aus einer Arterie, die von arteriosklerotischen Veränderungen betroffen ist (z. B. Halsschlagader), über den Blutstrom zu kleineren Hirngefäßen gelangen und diese vorübergehend blockieren.
Kritische Extremitätenischämie
Auch eine akute Ischämie der Extremitäten (kritische Extremitätenischämie) wird durch Embolien oder Thrombosen ausgelöst.
Zu einer kritischen Extremitätenischämie kommt es bei einer fortgeschrittenen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit, welche sich durch krankhafte Veränderungen und Durchblutungsstörungen der Beinarterien auszeichnet. Zumeist ist eine pAVK auf Arteriosklerose zurückzuführen. Betroffene leiden u. a. unter belastungsabhängigen Schmerzen, welche zu Gehpausen zwingen.
Eine akute Extremitätenischämie ist ein akuter Verschluss im Bereich einer Extremität und eine Komplikation der pAVK, die das Risiko für einen Verlust der Extremität birgt. Mögliche Ursachen sind Embolien, akute Verschlüsse von chirurgisch behandelten Gefäßabschnitten, Thrombosen, Traumen u. a.
Zu einer chronischen Extremitätenischämie kommt es in Folge einer chronischen Minderdurchblutung, zumeist in Zusammenhang mit Arteriosklerose. Sie geht mit einem hohen Risiko für eine Amputation einher.
Ischämische Herzkrankheit
Ein weiteres Beispiel für eine Ischämie ist die Koronare Herzkrankheit (KHK), die auf Arteriosklerose/arteriosklerotische Veränderungen der Herzkranzgefäße (Koronararterien) zurückzuführen ist. Die Koronararterien und die von ihnen abgehenden Äste sind jene Gefäße, die das Herz umgeben und dieses mit Blut versorgen. Durch die krankhaften Veränderungen kommt es zu einer zunehmenden Verengung der betroffenen Gefäße, was wiederum zu Durchblutungsstörungen des Herzmuskels führt. Da bei einer KHK Engstellen in einem Herzkranzgefäß zu Durchblutungsstörungen und einer Minderversorgung mit Sauerstoff in Teilen des Herzens führen können, wird die Krankheit auch als ischämische Herzkrankheit bezeichnet. In Folge einer KHK kann es zu einem Herzinfarkt kommen.
Faktoren, welche das Risiko für eine Ischämie erhöhen sind zusammengefasst u. a. unausgewogene Ernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht, Adipositas, erhöhter Blutdruck, erhöhte Blutfettwerte (Hypercholesterinämie), Diabetes mellitus, Rauchen und erhöhter Alkoholkonsum.
Symptome und mögliche Folgen
Die bei einer Ischämie auftretenden Symptome hängen vom betroffenen Gewebe/Organ, von der Form, vom Schweregrad und der Dauer der Ischämie und von anderen Faktoren ab. Allgemein kann es durch die Minderdurchblutung zum Abblassen und zu Funktionsverlusten des betroffenen Gewebes/Organs, gegebenenfalls zu Schmerzen und, wenn der Sauerstoffmangel bzw. die aufgehobene Durchblutung länger anhalten, zu Nekrose (Absterben von Zellen, Untergang von Gewebe) kommen.
Beispielsweise machen sich leichte Durchblutungsstörungen an den Händen und Füßen, insbesondere bei Kälte, durch Abblassen und vorübergehende Gefühlsstörungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühl bemerkbar.
Mögliche Symptome von einer transitorischen ischämischen Attacke sind beispielsweise plötzlich einsetzender einseitige Sehverlust, halbseitiger Ausfall des Gesichtsfelds, also des unter statischen Bedingungen wahrgenommenen Ausschnitts eines Raumes/jenes Umfelds, welcher ohne Augen- oder Kopfbewegung gesehen werden kann, Sehen von Doppelbildern und andere Sehstörungen, Hörstörungen, Ohrgeräusche, Sprachstörungen, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Gefühlsstörungen, Empfindungslosigkeit oder unvollständige Lähmung eines Extremitätenabschnitts oder einer Extremität, Empfindungslosigkeit oder unvollständige Lähmung einer Körperhälfte, Bewusstseinsstörungen und andere kurzzeitig auftretenden neurologischen Symptome. Prinzipiell entsprechen die Symptome von einer transitorischen ischämischen Attacke jenen von einem Schlaganfall, allerdings bilden sie sich im Gegensatz zu einem Schlaganfall in der Regel rasch wieder zurück und sind weniger stark ausgeprägt. Zu welchen Symptomen es kommt, hängt u. a. davon ab, welche Hirnregion von der vorübergehenden Minderdurchblutung betroffen ist.
Mögliche Symptome einer akuten kritischen Ischämie einer Extremität sind u. a. Schmerzen, Pulslosigkeit, Abblassen/Blässe oder bläulich marmorierte Haut mit Abkühlung der Extremität, Missempfindungen, Lähmung oder Steifheit. Bei einem inkompletten Ischämiesyndrom können die Symptome deutlich milder ausfallen.
Typische Symptome einer KHK sind u. a. Druckgefühl im Bereich der Brust, stechende Schmerzen im Bereich der Brust, Brennen hinter dem Brustbein (Angina pectoris), Schweißausbrüche und Angstgefühle. Die Symptome hängen prinzipiell davon ab, an welcher Stelle sich die Engstelle befindet und in welchem Ausmaß die Herzkranzgefäße verengt sind. Die Beschwerden können spontan auftreten, häufig treten sie belastungsabhängig – bei erhöhtem Sauerstoffbedarf des Herzens – auf.
Allgemein kann eine Ischämie in ihren vielfältigen Varianten und Ausprägungen u. a. zu folgenden Komplikationen führen: Schädigung von Gewebe, Absterben von Zellen (Nekrose), Sauerstoffmangel, Funktionsstörungen/-verlust, neurologische Probleme (z. B. Sprachstörungen, Gefühlsstörungen, Lähmung), Herzinsuffizienz, Verlust einer Extremität, Tod.
Die Auflistung der hier angeführten Symptome dient dem Überblick und kann unvollständig sein, zudem kann ein Symptom Anzeichen für eine andere Erkrankung sein. Auch muss nicht jedes hier angeführte Symptom bei einer Ischämie auftreten. Im Zweifelsfall sollte stets das ärztliche Gespräch gesucht werden.
Diagnose
Im Fall von Durchblutungsstörungen bzw. Symptomen einer Ischämie ist es in jedem Fall ratsam, einen Arzt aufzusuchen und die Beschwerden abklären zu lassen. Dies gilt auch dann, wenn die Symptome nur vorübergehend sind oder nur in bestimmten Situationen auftreten. Beispielsweise können neurologische Symptome wie bei einer transitorischen ischämischen Attacke auf einen drohenden Schlaganfall hindeuten, weswegen es besonders wichtig ist, die Beschwerden ernst zu nehmen und sie umfassend abklären zu lassen.
Ansprechpartner sind, je nach Beschwerden, beispielsweise der Arzt für Allgemeinmedizin (Hausarzt), welcher Patienten bei Bedarf an entsprechende Fachärzte zuweist, der Facharzt für Innere Medizin und Angiologie (Gefäßmediziner) oder Kardiologie oder der Facharzt für Neurologie. In Akutfällen, beispielsweise bei einem (Verdacht auf) Schlaganfall, muss der Notarzt verständigt werden – eine möglichst geringe Zeit zwischen der Attacke und medizinischer Versorgung ist in diesen Fällen sehr wichtig.
Die genaue Abklärung von Durchblutungsstörungen bzw. einer Ischämie hängt von der Lokalisation, Form und anderen Faktoren ab.
Bei einer transitorischen ischämischen Attacke werden nach einer Anamnese und Erhebung von neurologischen Zeichen sowie einer klinischen Untersuchung u. a. bildgebende Verfahren wie eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT) veranlasst.
Bei Verdacht auf eine akute Extremitätenischämie und zur Abklärung dieser stehen die gründliche Anamnese und eine körperliche Untersuchung im Vordergrund; im Anschluss werden eine Duplexsonographie (besondere Form der Ultraschalluntersuchung), mit deren Hilfe es möglich ist, den Befund zu bestätigen und Informationen zur Lokalisation und Thrombusausdehnung zu erhalten, angiographische Untersuchungen (Untersuchung zur Darstellung von Gefäßen), eine Echokardiographie, Laboruntersuchungen und/oder weitere Untersuchungen veranlasst.
Die Abklärung einer koronaren Herzkrankheit kann, nach gründlicher Anamnese, Einschätzung von Risikofaktoren und einer körperlichen Untersuchung (Abhören von Herz und Lunge, Blutdruckmessung) sowie Laboruntersuchungen, Untersuchungen wie verschiedene Formen des EKGs, eine Echokardiographie, ein Koronar-CT (CT des Herzens), eine Myokardszintigraphie, eine Stress-MRT und weitere Untersuchungen umfassen.
Behandlung
Die Frage nach der Behandlung einer Ischämie lässt sich nicht pauschal beantworten, da sie ganz von der Lokalisation, von der Form und vom Schweregrad der Ischämie und von anderen Faktoren abhängig ist. Zu den Therapiemaßnahmen zählen zusammengefasst u. a. medikamentöse Therapien (zur Behandlung der Ischämie sowie Schmerzreduktion), endovaskuläre Therapien (minimal-invasive Behandlung innerhalb der Gefäße) und operative Behandlungsverfahren, u. a. zur Beseitigung von Verschlüssen und Revaskularisation (Maßnahmen zur Verbesserung der Durchblutung minderversorgter Gewebe), sowie lebensstilgebundene Maßnahmen zur Reduktion bzw. Beseitigung von Risikofaktoren (Anpassung der Ernährung, körperliche Aktivität, Rauchstopp, Einstellung des Blutdrucks, Einstellung des Blutzuckers bei Diabetes etc.).
Friedrich G.; Koronare Herzkrankheit – welche Diagnostik ist sinnvoll?, Universum Innere Medizin 03/2020, MedMedia Verlag und Mediaservice
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Zerebrale Ischämie, Steckbrief, Thieme via medici, URL: https://viamedici.thieme.de/lernmodul/8658082/subject/neurologie/erkrankungen+des+gehirns+und+seiner+hüllen/durchblutungsstörungen/zns-ischämien/zerebrale+ischämie