Zusammenfassung
Factbox – Hallux valgus
Hallux valgus: Schiefstand der Großzehe; Fehlstellung, bei welcher die Großzehe ihre natürliche Stellung verändert – das Grundgelenk der Großzehe verschiebt sich nach außen, die Großzehe winkelt sich in Richtung der anderen Zehen ab
Ursachen: Erbliche Veranlagung, Spreizfuß, falsches Schuhwerk, andere Fehlstellungen u. a.
Symptome: Wölbung/vorstehendes Zehenköpfchen am Fußinnenrand, Rötung, Schwellung, schmerzhafte Druckstellen u. a.
Diagnose: Anamnese, Inspektion des Fußes, Tastuntersuchung, Beurteilung des Gangbilds, Röntgenuntersuchung, bei Bedarf weitere Untersuchungen
Behandlung: Konservative Maßnahmen (orthopädische Hilfsmittel, physiotherapeutische Übungen, Hautpflege der Druckstellen u. a.) zur Linderung von Beschwerden, Operation zur Korrektur der Fehlstellung
Was ist Hallux Valgus?
Beim Hallux valgus (Schiefzehe, Ballenzehe) handelt es sich um eine Fehlstellung des Vorfußes, bei welcher die Großzehe von ihrer regulären Position abweicht. Das Grundgelenk der Großzehe schiebt sich nach außen, die große Zehe winkelt sich in Richtung der anderen Zehen ab. Mit dem Abwinkeln der Großzehe geht eine Abspreizung des ersten Mittelfußknochens in Richtung Köpermitte einher, der Kopf des ersten Mittelfußknochens drückt von innen gegen die Haut und es bildet sich die für den Hallux valgus typische Wölbung bzw. das charakteristische vorstehende Zehenköpfchen am Fußinnenrand.
Im Anfangsstadium stört ein Hallux valgus aufgrund von Rötungen an der Fußinnenseite, der Wölbung und der Schiefstellung der Großzehe häufig nur in kosmetischer Hinsicht; unbehandelt wird die Fehlstellung mit der Zeit jedoch immer deutlicher und führt zu verschiedenen Beschwerden und Folgeerkrankungen im Bereich des Fußes. Ein fortgeschrittener Hallux valgus ist für Betroffene häufig ein sehr schmerzhaftes Problem, welches die Bewegungsfreude und Lebensqualität stark einschränken kann. Der Hallux valgus ist ein weit verbreitetes Leiden, Frauen sind deutlich öfter betroffen als Männer.
Ursachen
Die Entstehung eines Hallux valgus wird durch verschiedene Faktoren begünstigt, darunter erbliche Veranlagung und das Vorhandensein eines Spreizfußes. Ein Hallux valgus entwickelt sich fast immer auf Basis eines Spreizfußes, einer Fußfehlstellung, bei welcher es zu einem Einsinken des den Vorderfuß abfedernden Quergewölbes und zu einer Verbreiterung des Ballenbereichs kommt. Das Vorderfußgewölbe ist bei einem Spreizfuß sozusagen “durchgetreten“, Faktoren, welche dies begünstigen sind u. a. erbliche und altersbedingte Bindegewebsschwäche, Übergewicht und das Tragen von ungeeignetem Schuhwerk. Schuhe, welche die Entstehung eines Spreizfußes und Hallux valgus begünstigen sind enge und vorne spitz zulaufende Schuhe, welche den Fuß und die Zehen einengen, und zu hohe Schuhe, durch welche sich die Last auf das Vorderfußgewölbe erhöht. Weitere Faktoren, welche einen Hallux valgus begünstigen können sind u. a. Verletzungen, rheumatische Erkrankungen und andere Fußfehlstellungen.
Symptome und Folgen
Zu Beginn ist ein Hallux valgus zumeist nur ein ästhetisches Problem. Unbehandelt und bei fortwährendem Tragen falscher Schuhe verstärkt sich die Fehlstellung jedoch mit der Zeit und wird zu einer schmerzhaften Belastung im Alltag.
Bei einem Hallux valgus kann es verschiedene Schmerzquellen geben. Charakteristisch für die Fehlstellung ist das vorstehende Zehenköpfchen am Fußinnenrand. Es entwickeln sich schmerzhafte Druckstellen, zudem ist die Haut in diesem Bereich oft entzündet und gerötet. Die Wölbung kann beim Gehen am Schuh reiben und das Tragen passender Schuhe erschweren, sodass Betroffene manchmal auf größere Größen ausweichen, um dem Fuß mehr Raum zu geben und die unangenehme Reibung zu verhindern. Zusätzlich kann es zu einer Schwellung und Entzündung des Schleimbeutels im Zehenballenbereich kommen, was weitere Schmerzen verursachen kann. Häufig leiden Betroffene auch unter Mittelfußschmerzen. In Folge der mit der Schiefzehe einhergehenden Veränderungen kommt es beim Gehen zu einer veränderten Lastenverteilung. Der erste Mittelfußknochen bzw. die Großzehe trägt im Vergleich zu einem gesunden Fuß weniger der Belastung. Die benachbarten Mittelfußknochen der kleinen Zehen müssen die Belastung übernehmen, sind dafür allerdings nicht ausgelegt und werden überlastet. Der Schiefstand der Großzehe in Richtung der anderen Zehen kann dazu führen, dass die benachbarten Zehen verdrängt und zusammengedrückt werden, was weitere Fehlstellungen wie Hammerzehen und Krallenzehen begünstigen kann. In schweren Fällen kann sich die Großzehe auch unter oder über die benachbarten Zehen schieben, zudem kann es zu Verschleiß im Bereich vom Großzehengrundgelenk kommen.
Bei einem fortgeschrittenen Hallux valgus kann der Fuß nicht mehr schmerzfrei abgerollt werden. Durch die Veränderungen verändern sich die Fußbalance und das Gangbild, in Folge der Veränderungen kann es auch zu einer Fehlbelastung anderer Gelenke (z. B. Sprunggelenk, Knie) kommen. Zusammengefasst ist ein Hallux valgus also weit mehr als ein kosmetisches Problem. Die Fehlstellung der Großzehe kann sich unbehandelt auf andere Strukturen des Fußes auswirken und in das Abrollverhalten, die Fußbalance und das Gangbild eingreifen. Das Beschwerdebild und die möglichen Folgen hängen vom Schweregrad der Fehlstellung und anderen Faktoren ab und können individuell verschieden sein.
Die Auflistung der hier angeführten Symptome und Folgeerkrankungen dient dem Überblick und kann unvollständig sein, auch müssen nicht alle hier angeführten Symptome und Folgen im Einzelfall auftreten. Im Zweifelsfall oder bei Verdacht auf eine Fehlstellung sollte stets das ärztliche Gespräch gesucht werden.
Diagnose
Ansprechpartner ist der Facharzt für Orthopädie. Die Diagnose ist nicht schwer zu stellen, aufgrund des sichtbar vergrößerten Winkels im Bereich vom Großzehengrundgelenk (der typischen Wölbung am Fußinnenrand) ist ein Hallux valgus auf den ersten Blick leicht erkennbar. Nichtsdestotrotz ist eine gründliche Untersuchung wichtig, um den Schweregrad der Fehlstellung, die verschiedenen Aspekte, welche den Hallux valgus unterhalten, die mit der Fehlstellung einhergehenden Veränderungen und mögliche Folgeerkrankungen genau beurteilen zu können.
Im Rahmen der klinischen Untersuchung wird der Fuß gründlich untersucht. Beurteilt werden u. a. die Stellung des Fußes, die geänderte Stellung der Großzehe, die Vorfußbreite, die Hornhautbildung am Fuß, welche Informationen zu möglichen Änderungen der Druckverhältnisse beim Abrollen des Fußes liefert, die Schmerzhaftigkeit, die Beweglichkeit des Großzehengrundgelenks und das Gangbild. Außerdem wird eine Röntgenuntersuchung des belasteten und unbelasteten Fußes durchgeführt, um den genauen Winkel des Hallux valgus und weitere Aspekte der Fehlstellung zu bestimmen und die Diagnose zu sichern. Unter Umständen werden noch weitere Untersuchungen veranlasst (z. B. Magnetresonanztomographie).
Behandlung
Die Behandlung kann konservativ und operativ erfolgen. Die Behandlungsstrategie hängt vom Hallux valgus-Winkel, vom Schweregrad der Fehlstellung, vom Vorhandensein möglicher anderer Erkrankungen/Fehlstellungen, vom Alter des Patienten und anderen Faktoren ab.
Konservative Therapie
Zu den konservativen Therapiemaßnahmen zählen das Tragen von geeignetem Schuhwerk, orthopädische Hilfsmittel (spezielle Einlagen und Orthesen, Hallux-Schienen) und physiotherapeutische Übungen zur Stärkung der Fußmuskulatur und Mobilisierung des Großzehengrundgelenks. Außerdem werden Patienten häufig zum vermehrten Barfußlaufen auf weichen Ebenen bzw. Naturböden ermuntert. Weiters wichtig ist eine konsequente Hautpflege der Druckstellen.
Mittels einer individuell angepassten konservativen Therapie ist es möglich, bestimmte Beschwerden im Anfangsstadium zu mildern und ein Fortschreiten der Fehlstellung zu verzögern. Konservative Therapiemaßnahmen lindern jedoch lediglich die Symptome; eine Korrektur der Fehlstellung ist mittels konservativer Behandlungsmaßnahmen nicht möglich, sondern nur im Rahmen einer Operation. Da sich ein Hallux valgus mit der Zeit häufig verstärkt, mit verschiedenen Spätfolgen einhergehen und sich in vielerlei Hinsicht negativ auf die Fußgesundheit auswirken kann, wird häufig geraten, die Korrektur möglichst frühzeitig in Betracht zu ziehen.
Operation
Wenn die Fehlstellung weiter fortgeschritten ist, es nicht gelingt, die Beschwerden mittels konservativer Therapiemaßnahmen ausreichend zu bessern und/oder starke Schmerzen bestehen bzw. der Leidensdruck sehr hoch ist, ist eine Operation zur Korrektur der Fehlstellung angezeigt. Für die operative Korrektur des Hallux valgus gibt es zahlreiche Verfahren (z. B. Operation nach Austin, minimal-invasive Operationstechnik). Welches Verfahren zum Einsatz kommt richtet sich nach den individuellen Umständen. Zumeist werden im Rahmen der Operation mehrere Eingriffe durchgeführt, um die jeweils notwendigen Korrekturen im Bereich von Weichteilen, Sehnen, Gelenkkapseln, Knochen und anderen Strukturen durchzuführen. Nach der Operation sollte der Fuß geschont werden, das Belasten des Fußes und Gehen sind in einem speziellen Schuh (Vorfußentlastungsschuh, Hallux valgus-Schuh) möglich. Die Heilungsphase nach der Operation beträgt etwa sechs Wochen*. Wie lange der Vorfußentlastungsschuh getragen werden muss, wie lange die Nachbetreuung dauert und ab wann es nach der Operation möglich ist, wieder zu arbeiten und Sport zu treiben hängt u. a. von der Operationsmethode und dem Verlauf des Heilungsprozesses ab.
*Vom Einzelfall abhängig; Angaben können in der Literatur variieren.
Winterhagen I.; Wo drückt der Schuh? – Fußdeformitäten verhindern und behandeln, Deutsche Apotheker Zeitung 43/2018, Deutscher Apotheker Verlag
Zirngibl B. et al.; Hallux valgus – Ätiologie, diagnostische und therapeutische Prinzipien, Der Orthopäde 3/2017, Springer Medizin
Kirsche A.; Vorfussbeschwerden – ein komplexes Geschehen, med & move 01/2016, Rosenfluh Publikationen AG
Wülker N., Mittag F.; Therapie des Hallux valgus, Deutsches Ärzteblatt 49/12, Deutscher Ärzteverlag GmbH
Selbst auflösende Schrauben, Das Medizinprodukt 04/2013, MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH