Wer unverhofft (und nur ungern) auf Spinnen trifft und in dieser Situation Angst und Abscheu emotionsgeladen ausdrückt, wird in aller Regel verstanden. Je höher die Intensität des Gefühls, desto leichter fällt es, sie zu interpretieren. So weit, so logisch. Mit dieser Annahme liegen wir aber falsch, meint nun ein internationales Forscherteam. Zwischen der Intensität von Gefühlsausdrücken und ihrer Wahrnehmung besteht ein anderer, paradoxer Zusammenhang.
In ihrer Untersuchung sammelten die Forscher eine Vielzahl nonverbaler Laute, wie Schreien, Lachen, Seufzen, Ächzten oder Stöhnen. Alle drückten verschiedene positive und negative Emotionen aus, die in ihrer Stärke von minimal bis maximal intensiv variierten. Anschließend untersuchten sie, wie sich die Wahrnehmung dieser Laute je nach emotionaler Intensität bei ZuhörerInnen veränderte.
Das überraschende Ergebnis: Tatsächlich verbesserte sich die Wahrnehmung von Emotionen mit steigender Emotionsintensität zunächst. Je stärker die Intensität jedoch, desto weniger stieg die Wahrnehmung an. Bei extrem starken Emotionen sank sie sogar drastisch. Die intensivsten Gefühle waren die missverständlichsten von allen.
Im Fall extrem intensiver Gefühle können einzelne Emotionen nicht sicher unterschieden werden. Auch lässt sich nicht mit Gewissheit einordnen, ob das Gefühl eher positiv oder negativ ist. Trotzdem sind die Signale nicht bedeutungslos: Sowohl die Intensität selbst als auch der Erregungszustand werden gleichbleibend deutlich wahrgenommen. In Extremsituationen scheint es also wichtiger zu sein die Dringlichkeit zu erkennen und alarmiert zu sein, als die nuancierte emotionale Bedeutung zu verstehen.
Referenz:
Max-Planck-Institut für eGempirische Ästhetik, Frankfurt; Max Planck NYU
The paradoxical role of emotion intensity in the perception of vocal affect, Scientific Reports 2021; https://www.nature.com/articles/s41598-021-88431-0