Unser Zellinneres ist aus gutem Grund durch eine Zellmembran vor unerwünschten Besuchern geschützt. Aus pharmakologischer Sicht ist dieser Schutz jedoch ein lästiges Hindernis, da große Proteine oder Antikörper nur schwer bis gar nicht ins sogenannte Zytoplasma gelangen. Die meisten Medikamente umgehen diese Barriere, indem sie an der Zelloberfläche ansetzen und ihre Wirkung über eine Reihe von weiteren Proteinen entfalten.
Um große Biomoleküle wie Proteine oder Antikörper direkt in die Zelle zu bekommen, wird seit mehr als zwei Jahrzehnten an zellpenetrierenden Peptiden geforscht. Dabei wird ein großes Molekül mit einem chemischen „Schuhlöffel“ verknüpft, der das Eindringen in die Zelle erleichtern soll. Ein Konzept, das bei großer „Fracht“ bisher aber scheiterte. Jetzt präsentieren Forscher vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin und der TU Darmstadt eine neue Lösung. Ihr Trick: Sie verknüpfen nicht nur das zu transportierende Molekül mit den zellpenetrierenden Peptiden, sondern auch die Zelloberfläche.
Wie Experimente an lebenden Zellen zeigen, wird dadurch die intrazelluläre Aufnahme von funktionalen Proteinen und Antikörpern erheblich verbessert. Diese passieren nicht nur mühelos die Zellmembran, sondern sind auch in der Zelle aktiv, ohne toxisch zu sein. Entscheidend ist auch, dass mit dem neuen Verfahren nur rund ein Zehntel der bisher verwendeten Substanz-Konzentrationen benötigt werden. Fazit des Studienleiters Anselm Schneider: ein „Durchbruch“ im wahrsten Sinne des Wortes.
Mit dieser neuen Methode könnten nun etwa Signalwege in einer Krebszelle gezielt beeinflusst oder fehlende Enzyme, zum Beispiel bei einer Erbkrankheit ersetzt werden. Gene-Editing, also eine genetische Manipulation von Zellen, könnte ebenfalls auf diesem Weg erfolgen.
Referenz:
FMP Berlin, TU Darmstadt
Cellular uptake of Large Biomolecules Enabled by Cell-surface-reactive Cell-penetrating Peptide Additives, Nature Chemistry 2021,
https://www.nature.com/articles/s41557-021-00661-x