Das Darmmikrobiom setzt sich aus hunderten verschiedener Bakterienarten zusammen. Diese beeinflussen die physische und psychische Gesundheit des Menschen. Untersucht man diese Bakterien im Labor in Reinkultur, verhalten sie sich häufig völlig anders als in ihrem natürlichen Umfeld. Für die Mikrobiomforschung ist es daher besonders wichtig, herauszufinden, welche Funktionen die einzelnen Mikroben in der Gemeinschaft von Mikroorganismen übernehmen und wie sie gezielt beeinflusst werden können.
Einem Team von Forscherinnen und Forschern der Universität Wien und der Universität Boston ist es nun gelungen, zwei Mikroskopie-Methoden (Stimulierte Raman Streumikroskopie und Zwei-Photonen-Mikroskopie) zu kombinieren, um die Proben in Hochgeschwindigkeit zu analysieren. Die direkte Funktionsanalyse macht es möglich, Bakterien und das Fressverhalten einzelner Bakterienzellen sichtbar zu machen. Dazu wird die Mikrobiomprobe mit einem stabilen (nicht radioaktiven) Isotop gefüttert. Mikroben, die dieses Isotop fressen, werden dadurch gleichzeitig damit markiert. „Ganz nach dem Prinzip ‚Du bist, was du isst‘ kann so über den Isotopengehalt einzelner Bakterienzellen ihr Fressverhalten analysiert werden“, schreiben die Forschenden in einer Aussendung. Zusätzlich werden unterschiedliche Bakterienarte farbig fluoreszierend markiert.
„Die bisher verfügbaren Analysen waren aufgrund ihres hohen zeitlichen Aufwands nur für die jeweils dominanten Mikrobiommitglieder geeignet. Viele weitere gerieten aus dem Blick“, erklärt Michael Wagner, Mikrobiologe und stellvertretender Leiter des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft. „Mit der neuen Hochgeschwindigkeitsmethode konnten wir nun in kürzester Zeit den Isotopengehalt von mehr als 30.000 Bakterienzellen aus menschlichen Darmproben nach Inkubation mit verschiedenen Zuckern, die im Darm-Mukus vorkommen, bestimmen“ berichtet Wagner.
Es zeigte sich, dass bestimmte Clostridien (eine Darmbakterienart) eine wichtige und bislang unbekannte Rolle beim Abbau des Schleimhautzuckers Fucose spielen. „Dieser Befund ist bemerkenswert, da Fucose die Schnittstelle zwischen der Schleimhaut und dem Darmmikrobiom darstellt. Jeder fünfte Mensch kann jedoch keine Fucosylierung des Darm-Mukus durchführen und zeigt ein erhöhtes Risiko für entzündliche Darmerkrankungen. Aktuelle Forschungsprojekte versuchen u.a. gezielt Probiotika einzusetzen, um das Erkrankungsrisiko dieser Personen zu reduzieren. Damit dies gelingen kann, ist es wichtig zu verstehen welche Mikroben vom Fucoseabbau im Darm profitieren und den betroffenen Personen möglicherweise fehlen“, erklärt Fátima Pereira, Co-Erstautorin der Studie und Senior PostDoc in der Wiener Forschungsgruppe.
Die neue Methode wird auch verwendet, um zu untersuchen, wie Medikamente, die zur Behandlung von Parkinson und Schizophrenie häufig verschrieben werden, das Darmmikrobiom des Menschen beeinflussen.
Referenz:
Universität Wien
Ge X, Pereira FC, Mitteregger M et al., SRS-FISH: A high-throughput platform linking microbiome metabolism to identity at the single-cell level, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 119: e2203519119.
DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.2203519119
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