Zusammenfassung
Factbox. – Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD), Kaufunktionsstörungen
Definition: Funktionsstörung im Zusammenspiel zwischen Kiefergelenken, Kaumuskulatur und Zähnen
Ursachen: Basis: massive Verspannung der Kaumuskulatur durch Okklusionsstörungen und/oder psychosozialer Stress
Symptome: zahlreiche, völlig unterschiedliche Symptome, die in fast allen Körperbereichen auftreten können.
Diagnose: Spezielle Anamnese, Klinische Funktionsanalyse, MRT, Instrumentelle Funktionsanalyse, Brux-checker-Analyse
Behandlung: Aufbiss-Schienentherapie, Biofeedback, physiotherapeutische Behandlungen
Was ist Craniomandibuläre Dysfunktion?
Unter einer craniomandibulären Dysfunktion (CMD) versteht man eine Funktionsstörung im Zusammenspiel zwischen Kiefergelenken, Kaumuskulatur und Zähnen. Der Begriff CMD leitet sich folgendermaßen aus dem Lateinischen ab: „Cranium“ bedeutet Schädel, „Mandibula“ Kiefer und „Dysfunktion“ Fehlfunktion. Es handelt sich also um eine Fehlfunktion zwischen Schädel und Unterkiefer, die zahlreiche negative Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit haben kann.
Die Ursachen sind vielfältig und die Symptome so vielschichtig, dass sie in fast allen Körperregionen auftreten können. Deshalb ist in der Diagnostik und Therapie der CMD häufig eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ärzten und Therapeuten notwendig.
Wie wird CMD eingeteilt?
Die craniomandibuläre Dysfunktion wird, je nach Ursache, in drei Arten von Störungen eingeteilt:
- Störungen in der Kau- und Nackenmuskulatur, die an der Kieferbewegung beteiligt ist: Diese Störungen haben Schmerzen zur Folge, die entweder nur bei Bewegungen wie dem Kauen, aber auch ständig auftreten können.
- Gelenkveränderungen durch Gelenkverschleiß oder bestimmte Krankheiten: Die Veränderungen können Gelenkkapsel, Bänder, Knorpelscheiben, Gelenkknorpel oder Knochen des Kiefergelenks betreffen. Krankheiten, die das begünstigen, sind zum Beispiel eine Arthrose oder chronische Entzündungen im Kiefergelenk.
- Knorpelscheibe im Kiefergelenk liegt in der falschen Position oder ist in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt.
Zudem können auch mehrere Störungen gleichzeitig auftreten und einander verstärken. Das kann für die Patienten sehr unangenehm sein, denn das Beschwerdebild reicht manchmal von knackenden Geräuschen im Kiefergelenk bis hin zu Schmerzen in Kopf, Rücken, Nacken, Schultern und Gelenken.
Welche Ursachen gibt es für CMD?
Die Ursachen für CMD sind sehr vielfältig. Meist gibt es mehrere Faktoren, die an der Entstehung einer CMD beteiligt sind. Experten der funktionellen Kieferorthopädie sehen die Basis für die CMD in einer massiven Verspannung der Muskulatur, die für den Kauvorgang mitverantwortlich ist.
Diese wiederum wird vor allem durch sogenannte Okklusionsstörungen (Störung der normalen Kontaktbeziehung zwischen Zähnen des Ober- und Unterkiefers, die den richtigen Zahnreihenschluss behindert) ausgelöst. Mögliche Ursachen für solche Zahnfehlstellungen sind:
- schlechtsitzender oder fehlerhafter Zahnersatz
- zu hohe oder zu niedrige Füllungen
- Zahnlücken, die aus Zahnverlust resultieren
- fehlerhafte kieferorthopädische Behandlung
- Zähneknirschen (Bruxismus)
- genetische Ursachen
- funktionelle Störungen der Wirbelsäule oder des Beckens, die sich auf die Zahn- und Kieferstellung auswirken (selten)
Der zweite entscheidende Risikofaktor für die Entwicklung einer CMD ist psychosozialer Stress. Wenn er überhandnimmt, entsteht oft auch ein Druck auf die Kiefer. Betroffene knirschen nachts oder sogar tagsüber mit den Zähnen oder pressen sie viel zu stark aufeinander, um die Anspannung loszuwerden. Doch so verspannt sich die Kaumuskulatur und es kann eine craniomanibuläre Dysfunktion entstehen. Besteht sie schon, so kann psychischer Stress sie weiter verstärken und chronisch werden lassen.
Wie stellt der Arzt die Diagnose CMD?
Die Diagnose CMD ist oft nicht leicht zu stellen, da die Symptome sehr unterschiedlich sind. Ein Grund, warum die Krankheit in vielen Fällen auch erst sehr spät entdeckt wird. Steht die Diagnose jedoch fest, lässt sich CMD recht gut behandeln.
Für die Diagnostik werden folgende Untersuchungen und Maßnahmen durchgeführt:
- Spezielle Anamnese: Dabei werden neben zahnmedizinischen bzw. funktionellen Parametern auch etwaige Probleme wie Depression, Angststörungen, Gelenkbeschwerden, Polyneuropathien usw. miterfasst. Zudem wird der Arzt genau nach Traumen, Stress, Schlafposition etc. sowie Häufigkeit, Qualität und Zeitpunkt des Auftretens von Schmerzen fragen.
- Klinische Funktionsanalyse: Hier werden ein neurologischer Gesichtsbefund und Bewegungen des Kiefers erfasst und der Arzt wird untersuchen, wie Kiefergelenke und Kaumuskulatur auf Druck reagieren.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Sie gilt als Standard in der Kiefergelenksdiagnostik und ermöglicht die Beurteilung der knöchernen Strukturen und eine Darstellung des Knorpelgewebes.
- Instrumentelle Funktionsanalyse: Dabei kann die sogenannte Achsiographie patientenspezifische Bewegungen des Unterkiefers aufzeichnen.
- Brux-checker-Analyse: Manchmal kommt ein sogenannter Brux-checker zum Einsatz. Das ist eine dünne Folie, die einseitig mit Farbe beschichtet ist. Wenn man sie über Nacht trägt, werden Knirschmuster auf der Folie erkennbar.
Welche Symptome sind bei CMD möglich?
Die CMD kann zahlreiche, völlig unterschiedliche Symptome in fast allen Körperbereichen hervorrufen. Oft lassen sie sich nicht direkt mit dem Biss oder dem Kiefergelenk in Verbindung bringen.
Zähne und Gebiss | Zähneknirschen, Zähnepressen, Keilförmige Defekte, Zahnschmerzen oder empfindliche Zahnhälse, Rückgang des Zahnfleisches, unklare Bisslage der Zähne, Probleme beim Kauen, Zahnlockerung, Zahnwanderungen, Zahnabrasionen, Zahn stört beim Schließen |
Kiefer und Hals | Kiefergelenkschmerzen, Knack- oder Reibgeräusche im Kiefergelenk, Mund lässt sich nicht ganz öffnen, Kieferschmerzen, Schluckbeschwerden, Kloß im Hals |
Nacken und Kopf | Morgendliche Verspannungen, Zungenbrennen oder taubes Gefühl in der Zunge, Kopfschmerzen, Nackensteife, Nackenschmerzen, Gesichtsschmerzen, Trigeminusneuralgie |
Augen und Ohren | Augenflimmern, Schmerzen hinter den Augen, Doppeltsehen, Lichtempfindlichkeit, Sehstörungen, Tinnitus, Hörminderung, Ohrenschmerzen, Schwindel |
Weitere Körperbereiche und Psyche | Schulterschmerzen, Taubheitsgefühl in Armen oder Fingern, Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen, Schlaflosigkeit |
Achtung: All diese Symptome können, müssen aber nicht auf eine CMD hindeuten. Wichtig ist, sich an einen Arzt zu wenden, vor allem dann, wenn mehrere der genannten Beschwerden auftreten.
Wie wird die CMD behandelt?
So komplex die Ursachen der CMD sind, so relativ einfach kann die Erkrankung behandelt werden:
- Therapie mit Aufbiss-Schienen: Diese Schiene für den Oberkiefer wird rund acht Wochen lang nachts getragen und bewirkt, dass sich die Kaumuskulatur entspannt und Zähne und Kiefergelenke wieder in einer guten physiologischen Position stabilisiert werden. Die Schienen müssen regelmäßig kontrolliert und angepasst werden.
- Biofeedback: Das ist eine verhaltenstherapeutische Methode zum Erlernen einer entspannten Muskelposition. Biofeedback kann unbewusste Verspannungen computerunterstützt messbar und sichtbar oder hörbar machen. Das Ergebnis bildet die Grundlage für Verhaltensänderungen.
- Physiotherapeutische Behandlung: Auch physikalische Methoden, Heilgymnastik und die manuelle Therapie können bei einer CMD helfen.
FAQ
Viele Beschwerden und Schmerzen, deren Ursache die Betroffenen nicht kennen, lassen sich auf die CMD zurückführen. Schätzungen zufolge leiden rund 20 Prozent der Bevölkerung unter behandlungsbedürftigen CMD-Symptomen.
Die Palette der Beschwerden und Symptome, die CMD auslösen kann, ist äußerst breit gefächert. Sie reicht von Zahn-, Muskel- und Kiefergelenkschmerzen über Schwindel, Ohrenschmerzen, Tinnitus bis hin zu Gesichts-, Kopf-, Nacken-, Schulter- und Rückenschmerzen.
Die Standardtherapie der CMD besteht in der Verordnung von Aufbiss-Schienen, die über acht Wochen nachts getragen werden müssen. Damit lassen sich sehr gute Erfolge erzielen.
Mehr als ein Drittel der Bevölkerung knirscht oder presst vor allem nachts mit den Zähnen. Dabei werden große Kaumuskelkräfte frei, die die Zahnsubstanz schädigen und diverse körperliche Beschwerden mit sich bringen können. Die Experten empfehlen Stress zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Dazu eignen sich zum Beispiel gezielte Entspannungstechniken, Yoga, Massagen, physiotherapeutische Behandlungen und ein Verhaltenstraining (z.B. mittels Biofeedback).
Gemeinsame wissenschaftliche Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie DGFDT, der Deutschen Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien DGPro, der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie DGMKG, der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie DGKFO, des Arbeitskreises für Psychologie und Psychosomatik AKPP und des Deutschen Verbandes für Physiotherapie (ZVK): Therapie craniomandibulärer Dysfunktionen (CMD) 2022
Weber D: Management der craniomandibulären Dysfunktion im klinischen Praxisalltag, ZMK aktuell, 21.10.2021, https://www.zmk-aktuell.de/management/praxisfuehrung/story/management-der-craniomandibulaeren-dysfunktion-im-klinischen-praxisalltag__10767.html, Abruf Dezember 2022
Schierz O: Untersuchung und Diagnosebildung bei kraniomandibulären Dysfunktionen (CMD), Zahnmedizin up2date 2017; 11 (01): 59–82
https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0042-115054.pdf, Abruf Dezember 2022
https://www.gzfa.de/diagnostik-therapie/cmd-craniomandibulaere-dysfunktion/, Abruf Dezember 2022
https://www.unizahnklinik-wien.at/fachbereiche-spezialambulanzen/spezialambulanz-funktionsstoerungen/, Abruf Dezember 2022
https://www.usz.ch/krankheit/craniomandibulaere-dysfunktion/, Abruf Dezember 2022
ICD10-Code: K07.6