Die präzise Therapiewahl bei Brustkrebs hängt entscheidend vom Status der Hormonrezeptoren (für Östrogen und Progesteron) ab. Deren übliche Bestimmung mittels Immunohistochemie (IHC) hat eine gewisse Fehlerrate, die durch Hinzunahme von Genomdaten gesenkt werden kann. Daraus ergeben sich jedoch auch widersprüchliche Befunde, die die Wahl der richtigen Therapie erschweren. In diesen Fällen könnten mathematische Modelle die Entscheidungsfindung deutlich verbessern, ergab eine Studie der Universität Wien an über 3700 Patientinnen.
Die Methodik ist weit über Brustkrebs hinaus anwendbar, und kann überall, wo aus zahlreichen Befunden gleichzeitig Folgerungen zu ziehen sind, eingesetzt werden. Wolfgang Schreiner (CeMSIIS) vergleicht das System mit selbstfahrenden Autos: „Diese prüfen durch Sensoren, ob freie Fahrt möglich ist. Dabei kann ein Sensor ein Hindernis wahrnehmen und eine Notbremsung anfordern. Ein anderer Sensor erkennt keine Gefahr. Was ist dann zu tun? Es gibt zwei mögliche Fehlentscheidungen, und jede ist auf andere Weise riskant: Wird nicht gebremst, passiert ein möglicherweise schwerer Unfall. Bremst der Wagen unnötig, riskiert man einen Auffahrunfall.“ Analog dazu ist die Situation bei der Therapiewahl für Krebspatientinnen, die auf Status der Hormonrezeptoren abgestimmt wird. Eine falsche Entscheidung (Hormon- oder Chemotherapie) würde zu vermeidbaren Nebenwirken führen, im schlimmsten Fall zum Vorenthalten einer lebensrettenden Therapie.
Die Stärke des mathematischen Modells besteht darin, dass sie nicht nur einen einzigen Faktor, nämlich die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses (z.B. Rezeptor-positiv), sondern auch die Wahrscheinlichkeiten für andere Möglichkeiten (möglicherweise positiv) und (sicher nicht Rezeptor-positiv) mitberechnet. Das Modell hat den Vorteil, dass es „selbst merkt,“ wenn es unsicher ist und liefert dann das Ergebnis „unentscheidbar“. Eine wichtige Information für den Arzt.
Referenz:
MedUni Wien
Decision theory for precision therapy of breast cancer, Sci Rep 2021, 11:4233; https://www.nature.com/articles/s41598-021-82418-7