Zusammenfassung
Factbox – Antidepressiva
Definition: Medikamente, die gegen depressive Zustände helfen
Wirkweise: Ausgleich des gestörten Stoffwechsels von Botenstoffen im Gehirn, wie zum Beispiel Serotonin und Noradrenalin
Arten: Trizyklische Antidepressiva, tetrazyklische Antidepressiva, MAO-Hemmer, SSRI, SNRI, SSNRI, NaSSA, SARI, NDRI
Häufige Nebenwirkungen: Mundtrockenheit, Übelkeit, Kopfschmerzen, innere Unruhe, Schlaflosigkeit, Verdauungsstörungen, sexuelle Funktionsstörungen
Sind Antidepressiva rezeptpflichtig? Ja, Antidepressiva können in Österreich nur mit einem Rezept gekauft werden, das zuvor von einem Arzt/einer Ärztin oder von Fachärzt:innen für Psychiatrie ausgestellt wurde.
Was sind Antidepressiva?
Antidepressiva sind Medikamente, die zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden. Neben der Psychotherapie sind sie ein wichtiger Bestandteil der Behandlung depressiver Zustände. Sie können die Symptome und Begleiterscheinungen depressiver Erkrankungen, wie Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Erschöpfung, lindern.
Es gibt unterschiedliche Meinungen zur Wirksamkeit von Antidepressiva. Die meisten Expert:innen sind sich einig, dass Antidepressiva bei mittelschweren, schweren und chronischen Depressionen helfen können. Bei leichten Depressionen zeigen sie oft keine Wirkung. Wie andere Medikamente können Antidepressiva Nebenwirkungen haben, daher ist es wichtig, die Vor- und Nachteile einer Therapie mit einem Arzt oder einer Ärztin abzuwägen.
Das Hauptziel einer Therapie mit Antidepressiva ist es, depressive Symptome zu lindern und Rückfällen vorzubeugen. Außerdem sollen die Medikamente dabei helfen, das psychische Gleichgewicht wiederherzustellen und Begleiterscheinungen wie Unruhe, Angst, Schlafstörungen oder Suizidgedanken zu reduzieren. Die depressionslösende Wirkung tritt nicht sofort ein, sondern nach etwa zwei bis drei Wochen.
Wie wirken Antidepressiva?
Bei einer depressiven Erkrankung ist vermutlich der Stoffwechsel körpereigener Botenstoffe wie Serotonin und Noradrenalin gestört. Diese Stoffe beeinflussen unser Wohlbefinden, unsere Emotionen und unsere Wahrnehmung. Antidepressiva wirken, indem sie das Gleichgewicht dieser Botenstoffe wiederherstellen.
Dabei gibt es verschiedene Wirkmechanismen, je nach Art des Medikaments. Sehr gebräuchlich sind Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Diese Medikamente sorgen dafür, dass mehr Serotonin im Gehirn verfügbar bleibt, indem sie verhindern, dass Serotonin zu schnell wieder von den Nervenzellen aufgenommen wird. Sie sorgen dafür, dass mehr Serotonin im Gehirn verfügbar bleibt, indem sie dessen schnellen Abbau verhindern. Die genauen Wirkmechanismen von Antidepressiva sind bis heute nicht vollständig geklärt.
Welche Antidepressiva gibt es?
Antidepressiva werden nach ihrer chemischen Struktur und Wirkweise in verschiedene Gruppen eingeteilt:
1. Trizyklische Antidepressiva (TZA)
Diese Medikamente haben eine chemisch dreifache Ringstruktur und sind Antidepressiva der ersten Generation. Sie erhöhen die Konzentration von Serotonin und Noradrenalin, indem sie deren Wiederaufnahme in die Nervenzellen blockieren. Manche dieser Substanzen wirken antriebssteigernd, andere eher antriebshemmend oder schlafanstoßend.
Beispiele: Imipramin, Amitriptylin, Clomipramin, Doxepin, Trimipramin, Desipramin oder Nortriptylin
2. Tetrazyklische Antidepressiva (TeZA)
Sie haben eine chemisch vierfache Ringstruktur, zählen zu den Antidepressiva der zweiten Generation und wirken sehr ähnlich wie trizyklische Antidepressiva. Ein Beispiel für diese heute eher weniger häufig eingesetzten Medikamente ist Maprotilin.
3. Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer)
Diese Antidepressiva hemmen das Enzym Monoaminoxidase, das am Abbau von Serotonin und Noradrenalin beteiligt ist. Dadurch bleiben diese Botenstoffe länger aktiv.
Beispiel: Moclobemid
4. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
Sie blockieren das Transportmolekül, das Serotonin zurück in die Nervenzellen bringt, und erhöhen so die Menge an Serotonin im Gehirn.
Beispiele: Fluvoxamin, Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin und Citalopram
5. Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI)
SNRI hemmen vor allem die Wiederaufnahme von Noradrenalin in die Nervenzelle.
Beispiele: Reboxetin, Milnacipran, Desvenlafaxin
6. Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)
Diese Medikamente hemmen die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin in ihre Speicher.
Beispiele: Venlafaxin, Duloxetin
7. Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva (NaSSA)
Sie blockieren so genannte Alpha-2-Rezeptoren im Gehirn, die die Ausschüttung von Serotonin und Noradrenalin hemmen. So können diese Botenstoffe leichter freigesetzt werden.
Beispiel: Mirtazapin
8. Serotonin-Antagonisten und Wiederaufnahme-Hemmer (SARI)
Diese Antidepressiva hemmen die Wiederaufnahme von Serotonin und blockieren gleichzeitig einen bestimmten Serotonin-Rezeptor, der mit Angst, Unruhe und Schlaflosigkeit in Verbindung steht.
Beispiel: Trazodon
9. Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (NDRI)
NDRI hemmen die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin. Es wird jedoch diskutiert, ob diese Substanzen Abhängigkeitspotential haben. Bupropion ist die derzeit einzige zugelassene Substanz.
Einige Antidepressiva wirken eher beruhigend (z. B. Amitriptylin, Doxepin, Trimipramin, Mirtazapin), während andere antriebssteigernd sind (z. B. Clomipramin, Venlafaxin, Escitalopram). Die Wahl des Medikaments hängt von den individuellen Symptomen der Depression ab.
Wie verläuft die Behandlung mit Antidepressiva?
Antidepressiva müssen normalerweise täglich eingenommen werden. Ihre volle Wirkung setzt meist erst nach zwei bis drei Wochen ein, manchmal auch später. Bestimmte Effekte – wie Antriebssteigerung oder Antriebshemmung – können sich jedoch schon früher bemerkbar machen.
Wenn sich die Symptome bessern und die Depression nachlässt, ist es wichtig, die Behandlung fortzusetzen. Bei dieser sogenannten Erhaltungstherapie nimmt man das Antidepressivum noch mindestens vier bis neun Monate ein, um einen Rückfall zu vermeiden. Man spricht hier von einer Rückfallprophylaxe.
Außerdem sollte während der Therapie regelmäßig die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt aufgesucht werden. So kann besprochen werden, ob sich die Beschwerden gebessert haben oder ob Nebenwirkungen aufgetreten sind. Falls nötig, wird die Dosis angepasst.
Des Weiteren ist es wichtig, die Medikamente regelmäßig einzunehmen und die Dosis nicht eigenmächtig zu verändern. Das könnte dazu führen, dass die Tabletten nicht ausreichend wirken oder unerwünschte Nebenwirkungen auftreten.
Antidepressiva werden in der Regel von Psychiaterinnen und Psychiatern verschrieben. Auch Hausärztinnen und Hausärzte können in manchen Fällen diese Medikamente verordnen.
Wie setzt man Antidepressiva ab?
Wenn die Beschwerden abgeklungen sind, wird die Dosis Schritt für Schritt über mehrere Wochen hinweg verringert. So wird verhindert, dass es beim Absetzen dieser Medikamente zu Schlafstörungen, Übelkeit oder Unruhe kommt. Das eigenmächtige Absetzen der Medikamente erhöht außerdem das Risiko für ein neuerliches Auftreten der Depression. Deshalb ist es wichtig, das Absetzen immer mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt abzusprechen.
Eine Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Uniklinik Köln 2024 zeigte, dass etwa jede dritte Person Nebenwirkungen nach dem Absetzen von Antidepressiva erlebte. Dies hat laut den Forschenden aber nicht immer mit den Medikamenten selbst zu tun.
Interessanterweise berichteten auch Personen, die ein Placebo erhalten hatten, von Absetzsymptomen. Das Auftreten von Absetzsymptomen kann also auch durch die Erwartung ausgelöst werden, diese zu erleben.
Welche Nebenwirkungen haben Antidepressiva?
Mehr als die Hälfte der mit Antidepressiva behandelten Patientinnen und Patienten berichtet über Nebenwirkungen. Diese treten vor allem zu Beginn der Therapie auf und werden später seltener. Manche Beschwerden können jedoch auch durch die Depression selbst verursacht sein. Besonders bei älteren Menschen oder Personen, die mehrere Medikamente einnehmen, sind zudem Wechselwirkungen möglich.
Häufige Nebenwirkungen von Antidepressiva sind unter anderem:
- Mundtrockenheit
- Kopfschmerzen
- Kreislaufprobleme
- innere Unruhe
- sexuelle Funktionsstörungen
Bestimmte Nebenwirkungen treten bei verschiedenen Antidepressiva unterschiedlich häufig auf.
- SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) verursachen eher Durchfall, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Übelkeit.
- Bei trizyklischen Antidepressiva treten häufiger Sehstörungen, Verstopfung, Schwindel, Zittern, Mundtrockenheit und Probleme beim Wasserlassen auf.
Antidepressiva können unter Umständen Schwindel und Gangunsicherheit auslösen, was vor allem bei älteren Patient:innen zu beachten ist. In sehr seltenen Fällen kommt es unter der Einnahme von Antidepressiva zu Herzproblemen, epileptischen Anfällen, Leberschäden oder Suizidgedanken. Letzteres wurde vor allem bei Jugendlichen beobachtet.
Zudem können Antidepressiva manische oder psychotische Zustände auslösen oder begünstigen. Dies sollten vor allem Personen bedenken, die solche Zustände schon früher erlebt haben. Wenn es unter der Einnahme von Antidepressiva tatsächlich zu solchen Zuständen kommt, gibt es die Möglichkeit, auf bestimmte atypische Neuroleptika oder Phasenprophylaktika auszuweichen, die ebenfalls eine gewisse antidepressive Wirkung haben.
Aufgrund all dieser möglichen Nebenwirkungen ist es wichtig, während der Behandlung regelmäßig mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt im Austausch zu bleiben.
Was tun, wenn Antidepressiva nicht wirken?
Nicht immer wirkt ein Antidepressivum wie erwartet. In diesem Fall kann auf ein anderes Präparat gewechselt werden. Manchmal müssen mehrere Antidepressiva ausprobiert werden, bis eine Wirkung eintritt. Zudem können depressive Beschwerden auch mit zwei Medikamenten gleichzeitig behandelt werden. Mitunter gelingt es so, die Depression zu lindern.
FAQ
Antidepressiva sind Medikamente, die zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden. Neben der Psychotherapie sind sie ein wichtiger Bestandteil der Behandlung depressiver Zustände. Sie können die Symptome und Begleiterscheinungen depressiver Erkrankungen, wie Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Erschöpfung, lindern.
Antidepressiva unterscheiden sich in ihrer Wirkungsweise und ihrem chemischen Aufbau. Man unterscheidet folgende Haupttypen von Antidepressiva:
- Trizyklische Antidepressiva
- Tetrazyklische Antidepressiva
- Monoaminoxidasehemmer (MAO-Hemmer)
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI)
- Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI)
- Duale selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSNRI)
- Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva (NaSSA)
- Serotonin-Antagonist- und Wiederaufnahme-Hemmer (SARI)
- Selektive Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahme-Hemmer (NDRI)
Der Konsum von Alkohol während einer Antidepressiva-Therapie kann sowohl die Wirkung des Alkohols als auch jene des Antidepressivums beeinflussen. Dies kann zu Nebenwirkungen und gesundheitlichen Risiken führen. Deshalb sollte man auf Alkohol verzichten, solange man Antidepressiva einnimmt.
Die Wirkung der Antidepressiva setzt meist nach 2-4 Wochen ein. In dieser ersten Phase, auch Akutphase genannt, wird die Dosis richtig angepasst oder unterschiedliche Antidepressiva ausprobiert, wenn sich vorerst keine Wirkung zeigt.
Es folgt die vier bis neun Monate andauernde Erhaltungsphase, in der das Antidepressivum auch dann weiter eingenommen wird, wenn die Symptome abgeklungen sind. Dies soll Rückfälle vermeiden. Bei Personen mit wiederkehrenden oder schweren Depressionen wird eine Langzeittherapie von mindestens einem Jahr oder mehr empfohlen.
Vor allem SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren) und SNRI (Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmern) können die Sexualität beeinflussen. Mögliche Auswirkungen sind:
- Vermindertes sexuelles Verlangen (Libidoverlust)
- Erschwerte Erregung oder vaginale Trockenheit
- Verzögerte oder ausbleibende Ejakulation und Orgasmus
Hier ist es womöglich sinnvoll, auf ein anderes Antidepressivum nach ärztlicher Absprache umzusteigen.
Gehrisch J et al: Leitliniengerechte Pharmakotherapie der Depression, Arzneiverordnung in der Praxis Band 45 Heft 3 Juli 2018, https://www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/201803/141.pdf, Abruf August 2022
https://www.therapie.de/psyche/info/therapie/psychopharmaka/antidepressiva/, Abruf August 2022
https://www.psychiatrie.de/psychopharmaka/antidepressiva.html, Abruf August 2022
https://www.gesundheitsinformation.de/wie-wirksam-sind-antidepressiva.html, Abruf August 2022
https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/therapie/pharmakotherapie/antidepressiva, Abruf August 2022
https://www.geo.de/magazine/geo-wissen-gesundheit/14943-rtkl-psychopharmaka-diese-wirkstoffe-stecken-antidepressiva, Abruf August 2022
Incidence of antidepressant discontinuation symptoms: a systematic review and meta-analysis. https://www.thelancet.com/journals/lanpsy/article/PIIS2215-0366(24)00133-0/fulltext. Abruf März 2025
Langzeitgabe von Antidepressiva. https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:251094fa-df78-4502-a572-f4ce89eafd8e/201217_Antidepressiva-PatientInnen_pdfUA.pdf. Abruf März 2025
Greve N: Psychopharmaka – Welche gibt es und wie wirken sie? In: Mit psychischer Krankheit in der Familie leben. Rat und Hilfe für Angehörige (Hg. BApK). Balance buch + medien Verlag 2014, 5. Auflage.
Eckert N: Antidepressiva: Ungeahnte Effekte der Therapie, Dtsch Arztebl 2019; 116(50): A-2346 / B-1926 / C-1869, https://www.aerzteblatt.de/archiv/211336/Antidepressiva-Ungeahnte-Effekte-der-Therapie