Zusammenfassung
Factbox
Definition: chronische, aber behandelbare Erkrankung, durch ein Übermaß an Körperfett gekennzeichnet, begünstigt zahlreiche Folgeerkrankungen
Ursachen: falsche Essgewohnheiten, Bewegungsmangel, genetische Faktoren, Medikamente, bestimmte Erkrankungen, Stress
Behandlung: grundlegende Änderung von Ess- und Bewegungsgewohnheiten ggf. mithilfe von Verhaltenstherapie, Medikamente: nur zusammen mit Lebensstiländerung und wenn der BMI ≥ 30kg/m2 beträgt, oder wenn der BMI ≥ 27kg/m2 beträgt und der Patient zumindest unter einer Begleiterkrankung leidet, Bariatrische Chirurgie: wenn konventionelle Therapien fehlgeschlagen sind und ein BMI ≥ 40kg/m2 oder ein BMI ≥ 35kg/m2 bei gleichzeitigem Vorliegen von adipositasassoziierten Erkrankungen gegeben ist.
Was versteht man unter Adipositas?
Unter Adipositas versteht man krankhaftes Übergewicht. Es handelt sich dabei um eine chronische, aber behandelbare Erkrankung, die durch ein Übermaß an Körperfett gekennzeichnet ist und die zahlreiche Folgeerkrankungen begünstigt.
Übergewicht und Adipositas betreffen weltweit rund eine Milliarde Menschen; auch Kinder und Jugendliche sind zunehmend betroffen. Die Erkrankung wird durch Lebensstil-, hormonelle, genetische und umweltbedingte Faktoren verursacht und ist weit mehr als ein kosmetisches Problem. Krankhaftes Übergewicht ist durch ein Übermaß an Körperfett gekennzeichnete chronische Erkrankung und erhöht erheblich die Wahrscheinlichkeit, dass Betroffene eine Folgeerkrankung wie Diabetes mellitus Typ 2, Herzinfarkt, Schlaganfall, hohen Blutdruck, Erkrankungen des Bewegungsapparats und Krebserkrankungen wie Dickdarm-, Prostata-, Nieren-, Gallenblasen- oder Brustkrebs entwickeln. Davon abgesehen leiden adipöse Menschen aufgrund ihrer verminderten körperlichen Leistungsfähigkeit unter Lebensqualitätseinbußen und nicht zuletzt auch oft unter massiver Stigmatisierung, was wiederum zu Depressionen, Angst und Minderwertigkeitsgefühlen führen kann.
Die Berechnung von (krankhaftem) Übergewicht
Adipositas ist mehr als Übergewicht und lässt sich über den so genannten Body-Mass-Index (BMI) berechnen. Die Formel dafür lautet:
Liegt der BMI zwischen 25 und 30 so spricht man von Übergewicht oder Präadipositas.
Liegt der BMI über 30, so liegt krankhaftes Übergewicht oder Adipositas vor.
Liegt der BMI über 40, so ist sehr starke krankhafte Fettleibigkeit oder Adipositas per magna gegeben.
Neben dem BMI ist für die Feststellung von Übergewicht auch die Beurteilung der Fettverteilung wichtig. Gesundheitlich besonders ungünstig ist Fett in der Bauchregion. Mediziner sprechen hier von viszeralem Fett, das sich nicht nur unter der Haut, sondern auch rund um die Organe sammelt und Botenstoffe freisetzt, die sich etwa auf den Blutdruck auswirken, die Freisetzung des Hormons Insulin beeinflussen und Entzündungen auslösen können. Viszerales Fett begünstigt die Entstehung von Erkrankungen wie Diabetes und das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Eine Faustregel in diesem Zusammenhang lautet, dass bei Männern ein Bauchumfang von über 94 cm als riskant gilt, bei Frauen einer von über 80 cm.
Wen trifft die Erkrankung?
Die Ursachen von Adipositas sind sehr vielfältig und von mehreren Faktoren mitbestimmt. Natürlich ist grundlegend, dass eine hohe Energiezufuhr bei geringem Verbrauch dazu führt, dass überschüssige Energie in Form von Fett im Körper eingelagert wird, und es ist auch eine Tatsache, dass adipöse Menschen sich oft zu fett- und insgesamt zu kalorienreich ernähren und auch häufig viel zu wenig Bewegung machen. Dazu kommt die ständige Verfügbarkeit von Essen in unserer Gesellschaft und die verbreitete Tendenz, gegen Stress und Frust „anzuessen“. Das heißt aber nicht, dass adipöse Menschen selbst an ihrem Übergewicht schuld sind, denn auch die genetische Veranlagung, Stress, bestimmte Erkrankungen und Medikamente spielen eine Rolle bei der Entwicklung von Adipositas.
– Genetische Faktoren: Der BMI eines Menschen ist in hohem Maß genetisch bedingt. Das weiß man aus Zwillingsstudien sowie aus Untersuchungen an adoptierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die gezeigt haben, dass der BMI dieser Menschen wesentlich enger mit dem BMI ihrer biologischen Eltern oder Geschwister assoziiert ist als mit dem BMI ihrer Adoptiveltern. Zudem ist unter anderem genetisch bedingt, dass der Energieverbrauch eines Menschen geringer ist als der von anderen. Manche Studien haben auch Hinweise darauf gebracht, dass ein gesteigertes Hungergefühl genetisch bedingt sein kann. Dabei spielen wahrscheinlich bestimmte Hirnregionen, speziell der Hypothalamus, in dem sich das Esszentrum und das Sättigungszentrum befinden, eine Rolle.
– Fehlende Bewegung: Bewegungsmangel kennzeichnet unsere Gesellschaft, in der immer mehr Menschen sitzenden Berufen nachgehen und in der Freizeit oft viele Stunden auf der Couch oder vor dem Computerbildschirm verbringen. Solche Muster beginnen häufig schon in der Kindheit, und tatsächlich gibt es einen Zusammenhang zwischen Bewegungsmangel in jungen Jahren und Übergewicht mit all seinen Folgen im späteren Leben.
– Falsche Ernährung: Fetthaltige Fertiggerichte, zuckerreiche Getränke, Zwischendurch-Snacks statt Obst und Gemüse und ein ständiges Überangebot an Lebensmitteln tragen dazu bei, dass immer mehr Menschen mehr essen als notwendig und adipös werden.
– Stress: Zeitdruck, psychischer Stress und Frust-Situationen lassen oft zu rasch verfügbarem Fastfood greifen, und viele Gestresste essen zu hastig energiedichte Lebensmittel, ohne ein Sättigungsgefühl abzuwarten. Am Ende dieser Spirale stehen nicht selten manifeste Essstörungen.
– Erkrankungen: Manche Erkrankungen wie die Binge-Eating-Disorder-Störung, bei der Betroffene immer wieder exzessive Essanfälle haben, im Laufe derer sie enorme Nahrungsmengen verschlingen, können zu Adipositas führen. Weitere mögliche Ursachen für Adipositas sind in diesem Zusammenhang eine Unterfunktion der Schilddrüse oder das Cushing-Syndrom, bei dem ein zu hoher Cortisolspiegel im Blut infolge von Medikamenten oder Überproduktion in den Nebennieren vorliegt.
– Medikamente: Einige Medikamente begünstigen die Gewichtszunahme. Dazu zählen beispielsweise Kortison, Lithium, bestimmte Antidepressiva und Neuroleptika. Zu einer echten Adipositas kommt es aber in der Regel erst dann, wenn weitere Übergewicht begünstigende Faktoren hinzukommen.
Wie lässt sich Adipositas behandeln?
Bei der Therapie des krankhaften Übergewichts geht es darum, das Körpergewicht dauerhaft zu reduzieren. Damit sinkt auch das Risiko von gefährlichen Folgeerkrankungen, die Lebensqualität steigt wieder, und Betroffene leiden nicht mehr unter Stigmatisierung. Welche Behandlung für den Einzelnen sinnvoll ist, hängt vom Schweregrad der Adipositas und den individuellen Risikofaktoren und Begleiterkrankungen ab. Außerdem sollten bei der Therapie der Adipositas das Alter der Patienten und ihre persönlichen Wünsche berücksichtigt werden. Idealerweise sollen Betroffene durch ein multidisziplinäres Team begleitet werden, in dem Allgemeinmediziner, Ernährungsberaterinnen, eventuell Internisten, Psychologinnen und Physiotherapeuten zusammen mit den Patienten an einem umfassenden Lebensstiländerungsplan arbeiten. Auch die Teilnahme an Selbsthilfegruppen hat sich für viele Betroffene als günstig erwiesen.
Was Betroffene brauchen
- Lebensstil-Intervention und Verhaltenstherapie: Hier geht es um eine Anpassung der Ernährungsgewohnheiten, körperliches Training und psychologisch-psychotherapeutische Betreuung.
- Änderung der Ernährungsgewohnheiten: Da viele Patienten, die unter Adipositas leiden, die Gefühle von Hunger und Sättigung, durch die man normalerweise die Nahrungsaufnahme kontrollieren kann, nicht mehr kennen, geht es im ersten Schritt um eine Wiederherstellung des Empfindens von Hunger und Sattheit. Erzielen kann man das durch einfache Maßnahmen wie Esspausen für vier bis fünf Stunden nach einer Mahlzeit oder das Achten auf die Geräusche eines leeren Magens. Wichtig und zielführend sind weiters zum Beispiel das Anrichten von kleineren Portionen, häufiges Kauen und langsames und bewusstes Essen ohne Ablenkung. Grundsätzlich sollen energiedichte und fettreiche Nahrungsmittel und Zucker, raffinierte Kohlenhydrate und Süßgetränke vermieden bzw. eingeschränkt und der Anteil an Gemüse an der Nahrung erhöht werden. Viele Experten empfehlen eine mediterrane Diät mit einem hohen Anteil an Gemüse, Früchten, komplexen Kohlehydraten und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die auch das kardiovaskuläre Risiko senken kann.
- Körperliches Training: Bewegung ist eine der wichtigsten Komponenten, wenn es ums Abnehmen geht. Experten empfehlen mindesten 150 Minuten aerobe körperliche Aktivität pro Woche. Das erzielt man zum Beispiel beim Gehen mit einem Tempo von fünf bis sechs Kilometern pro Stunde. Andere, für adipöse Menschen gut geeignete Sportarten sind zum Beispiel Nordic Walking, Wandern, Radfahren, Schwimmen oder Aquagymnastik. Dieses Ausdauertraining kann man mit moderatem Krafttraining kombinieren, bei dem zumindest zweimal wöchentlich in acht bis zehn Übungen die großen Muskelgruppen aktiviert werden sollen. Beides erhöht nicht nur den Energieverbrauch, sondern führt auch zu einer Verbesserung der Insulinsensitivität und hilft vor allem Patienten mit metabolischem Syndrom bzw. Diabetes mellitus.
- Psychologisch-psychotherapeutische Behandlung: Dabei kommt vielfach Verhaltenstherapie zum Einsatz. Ziel ist, Verhaltensweisen, die zum Entstehen der Adipositas geführt haben und zur Erhaltung der Krankheit beitragen, zu erkennen und zu verändern. Dazu gehört zum Beispiel die gezielte Beobachtung des eigenen Ess-, Bewegungs- und Einkaufsverhaltens oder das Erlernen des Umgangs mit Rückfällen während des Versuchs abzunehmen. In der Verhaltenstherapie werden Zielvereinbarungen zwischen Patient und Behandlerin getroffen – auch um unrealistische Behandlungsziele und Erwartungen auszuschließen.
- Medikamentöse Therapie: In bestimmten Fällen kann bei Adipositas auch eine zusätzliche Behandlung mit Medikamenten durchgeführt werden. Das geschieht in der Regel aber erst, wenn Betroffene mit einer Umstellung der Ernährung und mehr Bewegung allein nicht ausreichend abnehmen können, wenn der BMI des Patienten ≥ 30kg/m2 beträgt, oder wenn der BMI ≥ 27kg/m2 beträgt und der Patient zumindest unter einer durch die Adipositas hervorgerufenen Begleiterkrankung wie Prädiabetes, Diabetes Typ 2, Bluthochdruck oder Schlaf-Apnoe-Syndrom leidet. Die Behandlung mit Medikamenten erfolgt immer zusammen mit dem Basisprogramm zur Lebensstiländerung, und der Therapieerfolg muss überprüft werden, um die weitere Verordnung des entsprechenden Medikaments rechtfertigen zu können. Antiadipöse Medikamente sollten nicht in der Schwangerschaft, während der Stillzeit oder in der Kindheit angewendet werden. Derzeit stehen in Österreich drei medikamentöse Therapieoptionen zur Verfügung: der Lipasehemmer Orlistat, der Glucagon-like-Peptide-1-Rezeptor-Agonist Liraglutid und ein Kombinationspräparat aus dem Opioidantagonisten Naltrexon und dem Antidepressivum Bupropion.
- Chirurgische Maßnahmen: Mithilfe der so genannten Bariatrischen Chirurgie kann es je nach Operationsmethode gelingen, 50 bis 80 Prozent des überschüssigen Gewichts oder zehn bis 20 BMI-Einheiten zu reduzieren. Methoden sind der Y-Roux-Magenbypass, der Omega-Loop-Bypass, die Sleeve Gastrectomy (Schlauchmagen) und eine Kombination aus den beiden letzteren. So ein Eingriff kommt dann in Frage, wenn konventionelle Therapien fehlgeschlagen sind und ein BMI ≥ 40kg/m2 oder ein BMI ≥ 35kg/m2 bei gleichzeitigem Vorliegen von adipositasassoziierten Erkrankungen gegeben ist. Die Patienten müssen umfassend aufgeklärt werden und sich dessen bewusst sein, dass damit auch eine drastische Umstellung der Essgewohnheiten und eine lebenslange postoperative Nachsorge verbunden sind, und dass es bei Nichteinhaltung der diätischen Empfehlungen zu Komplikationen kommen kann. Bariatrische Eingriffe sollten nur in hochspezialisierten Zentren durchgeführt werden.
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