Schwangerschaftsdiabetes
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Schwangerschaftsdiabetes

Schwangerschaftsdiabetes bezeichnet einen in der Schwangerschaft neu aufgetretenen Diabetes, der nach der Entbindung meist schnell wieder abklingt. Rechtzeitig erkannt, lässt er sich einfach therapieren.

Zusammenfassung

Factbox – Schwangerschaftsdiabetes

Synonym: Gestationsdiabetes

Definition: In der Schwangerschaft neu aufgetretener Diabetes

Risikofaktoren: höheres Alter der Mutter, Adipositas, familiäre Vorbelastung uvm.

Diagnose: Zuckerbelastungstest (oraler Glukosetoleranztest) in der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche

Therapie: Ernährungsumstellung und mehr Bewegung sind meist ausreichend, um die Zuckerwerte zu senken. Ansonsten muss Insulin gespritzt werden

Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) ist eine Störung des Zuckerstoffwechsels, die während der Schwangerschaft auftritt und danach (in den meisten Fällen) schnell wieder abklingt. Diese Form des Diabetes ist keine Seltenheit und lässt sich einfach behandeln, wenn eine rechtzeitige Diagnose erfolgt. Um das sicherzustellen, ist im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen für jede Schwangere in Österreich ein Zuckerbelastungstest vorgesehen. Unerkannt oder unbehandelt kann Schwangerschaftsdiabetes gefährlich für Mutter und Kind werden.

Wie entsteht Schwangerschaftsdiabetes?

Grundsätzlich wird unter dem Begriff „Diabetes“ eine Reihe von Zuckerstoffwechselerkrankungen zusammengefasst. Am bekanntesten sind Diabetes Typ 1, bei dem zu wenig oder gar kein Insulin produziert werden kann, und Diabetes Typ 2, bei dem es zu einer Insulinresistenz (also einem schlechten Ansprechen auf Insulin) kommt. Insulin ist ein Hormon, das den Blutzuckerwert senkt, indem es mit der Nahrung aufgenommen Zucker (Glukose) aus dem Blut in die Zellen transportiert (genauere Informationen finden Sie im Beitrag Diabetes mellitus).

Gestationsdiabetes entsteht, weil die Schwangerschaftshormone zu einem erhöhten Insulinbedarf führen. Besonderes in der zweiten Schwangerschaftshälfte steigen die Hormone rasch an und stellen sicher, dass ausreichend Zucker im Blut der Mutter vorhanden ist, um die Versorgung des ungeborenen Kindes zu sichern. Allerdings kommt es durch die hormonelle Umstellung gleichzeitig zu einer zunehmenden Insulinresistenz. Die Bauchspeicheldrüse, in der das Insulin produziert wird, erhöht sich nun, um die erhöhten Blutzuckerspiegel zu senken. Kann jedoch der erhöhte Insulinbedarf nicht abgedeckt werden, steigt der Blutzuckerspiegel über ein gesundes Maß hinaus. Wenn dieses Problem vor der Schwangerschaft noch nicht bestanden hat (etwa unerkannt in Form eines Prädiabetes), spricht man von einem Schwangerschaftsdiabetes. Im Normalfall verschwindet diese Diabetesform nach der Geburt schnell wieder von selbst.

Steigen die Blutzuckerwerte allerdings schon im ersten Drittel der Schwangerschaft an und normalisieren sich nach der Geburt nicht, liegt eher ein Typ-2-Diabetes vor.

Welche Risikofaktoren gibt es?

Beim Großteil der schwangeren Frauen bleiben die Blutzuckerwerte im Normalbereich. Daten aus Deutschland zeigen, dass etwa 5 Prozent der Schwangeren einen Gestationsdiabetes entwickeln. Obwohl grundsätzlich jede Frau betroffen sein kann, gibt es doch eine Reihe an Faktoren, die das Risiko erhöhen. Dazu zählen:

  • Übergewicht vor der Schwangerschaft: umso höher das Gewicht, umso größer das Risiko für die Entwicklung eines Gestationsdiabetes
  • Starke Gewichtszunahme während der Schwangerschaft
  • Höheres Alter der werdenden Mutter: die Altersangaben in der Literatur schwanken zwar stark zwischen 25 und 35 Jahren, allerdings steigt das Risiko mit zunehmendem Alter
  • Familiäre Vorbelastung (enge Verwandte mit Typ-2-Diabetes)
  • Gestationsdiabetes in einer vorangegangenen Schwangerschaft
  • Bluthochdruck (Hypertonie)
  • Ethnizität: Kaukasierinnen haben das niedrigste Risiko, Frauen aus dem Mittleren Osten, Süd- und Ostasien und Afrika haben das höchste Risiko
  • Vitamin-D-Mangel
  • Vorangegangene Fehlgeburten (mehr als drei)
  • Vorangegangene Totgeburt
  • Geburt eines Kindes mit einem Gewicht über 4500 g

Wie wird ein Schwangerschaftsdiabetes festgestellt?

Meistens wird ein Schwangerschaftsdiabetes im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen diagnostiziert. Seit 2011 ist der Zuckerbelastungstest (oraler Glukosetoleranztest, OGTT) zwischen der 24. und 28. Woche verpflichtend  durchzuführen. Dafür wird zunächst der Nüchternblutzuckerwert durch Blutabnahme aus der Vene bestimmt (mind. Acht Stunden zuvor keine Nahrungsaufnahme). Anschließend muss die Schwangere 75 g Glukose, die in 300 ml Wasser aufgelöst wurde, trinken, wodurch der Blutzuckerspiegel ansteigt. Wenn der Zuckerstoffwechsel der Schwangeren problemlos arbeitet, sinkt der Zuckerspiegel rasch wieder in den Normalbereich. Liegt jedoch ein Schwangerschaftsdiabetes vor, kann der Zucker nicht ausreichend verwertet werden und die Werte im Blut bleiben hoch.

Um das festzustellen, wird eine und zwei Stunden nach Einnahme der Glukoselösung nochmals Blut abgenommen. Bis dahin darf nichts gegessen oder getrunken werden und die Schwangere sollte sich möglichst wenig bewegen.

Gestationsdiabetes besteht, wenn:

  • der Nüchternblutzuckerwert über 92 mg/dl liegt,
  • der Ein-Stunden-Wert über 180 mg/dl liegt und
  • der Zwei-Stunden-Wert über 153 mg/dl liegt.

Wie wird Schwangerschaftsdiabetes behandelt?

Schwangerschaftsdiabetes ist gut behandelbar. In den meisten Fällen reicht schon eine Ernährungsumstellung aus. Auch mehr Bewegung ist sinnvoll. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Zuckerwerte zu senken, können die betroffenen Frauen kontrollieren, indem sie regelmäßig ihre Blutzuckermessungen durchführen. Werte im Normbereich sind:

  • Nüchtern/vor dem Frühstück: 65 bis 96 mg/dl
  • Eine Stunde nach dem Essen: < 140 mg/dl
  • Zwei Stunden nach dem Essen: < 120 mg/dl

Nur wenn die Blutzuckerwerte trotz der Lebensstilmaßnahmen erhöht bleiben, muss Insulin gespritzt werden.

Ernährung

Welche Art von Ernährungsumstellung sinnvoll ist, kann mit dem Arzt/der Ärztin oder bei einer Ernährungsberaterin individuell für jede Frau festgestellt werden. Grundsätzlich sollte die Ernährung ausgewogen sein. Eine Begrenzung der Kohlehydratmenge auf 40 bis 50 Prozent verringert die Blutzuckerwerte nach den Mahlzeiten. Das Essen sollte aber auf jeden Fall ausgewogen sein und Ballaststoffe, Fette und Eiweiße enthalten.

Für die Ernährungsumstellung gilt außerdem, dass es besser ist, mehrere kleine statt wenige große Mahlzeiten zu essen. Bis zu sechs Mahlzeiten in Form von drei Haupt- und drei kleineren Zwischenmahlzeiten über den Tag verteilt halten den Blutzuckerspiegel konstant und können noch dazu gegen Schwangerschaftsübelkeit helfen. Nimmt man mehr Nahrung auf einmal zu sich, steigt der Blutzuckerspiegel stärker an.

Da der Blutzuckeranstieg morgens am größten ist, weil die Insulinwirkung schlechter als unter Tags ist, sollte die Kohlehydratmenge zum Frühstück niedriger als bei den anderen Hauptmahlzeiten sein. Eine kohlehydratreiche Spätmahlzeit hingegen verhindert eine überschießende Ketonbildung (Keton wird gebildet, wenn der Körper Fett statt Zucker verbrennt. Das passiert bei Hungerzuständen oder absolutem Insulinmangel und kann zu einem lebensgefährlichen diabetischen Koma führen) in der Nacht und beugt so hohen Nüchternwerten in der Früh vor.

Bewegung

Regelmäßige körperliche Aktivität oder Sportarten, die kein Verletzungsrisiko für die Schwangere darstellen (wie Ball- oder Kampfsportarten), senken das Risiko für einen Schwangerschaftsdiabetes und erhöhen die Belastbarkeit in der Schwangerschaft und während der Geburt. Schon regelmäßiges schnelleres Gehen für 20 bis 30 Minuten nach einer Hauptmahlzeit kann den Blutzuckerspiegel senken. Geeignete Sportarten in der Schwangerschaft sind auch Nordic Walking, Schwimmen und Radfahren.

Von einer zu starken Gewichtsabnahme wird auch bei Gestationsdiabetes abgeraten. Allerdings ist es ratsam, die Gewichtszunahme im Auge zu behalten. Als Richtwert für die Zunahme gilt:

  • Bei Untergewicht (BMI < 18,5): 12,5–18 kg
  • Bei Normalgewicht (BMI 18,5–24,9): 11,5–16 kg
  • Bei leichtem Übergewicht (BMI 25–29,9): 7–11,5 kg
  • Bei starkem Übergewicht (BMI ab 30): 5–9 kg

Welche Gefahren bestehen für Mutter und Kind?

Unbehandelt geht ein Schwangerschaftsdiabetes mit einer Reihe von Komplikationen einher. Betroffene Frauen haben ein erhöhtes Risiko für Harnwegsinfekte und Pilzinfektionen. Ebenso ist das Risiko für Bluthochdruck, Präeklampsie und Frühgeburten deutlich erhöht. Auch wenn ein Schwangerschaftsdiabetes nach der Geburt wieder verschwindet, besteht für die Frau eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, später an Typ-2-Diabetes zu erkranken.

Ist der Blutzucker der Mutter erhöht, wird über die Plazenta auch mehr Zucker zum Kind transportiert und dessen Blutzuckerspiegel steigt ebenfalls an. In der Bauchspeicheldrüse des Kindes wird daraufhin vermehrt Insulin gebildet, um den Blutzuckerspiegel zu senken. Da Insulin aber nicht nur den Blutzucker reguliert, sondern auch ein Wachstumshormon ist, werden die ungeborenen Kinder deutlich größer und schwerer als Kinder gesunder Mütter. Dieses übermäßige Wachstum betrifft besonders Bauch, Brustkorb und Schulterbereich. Die Organe und Arme und Beine hingegen können Entwicklungsverzögerungen aufweisen.

Durch das höhere Gewicht der Kinder erhöht sich wiederum die Häufigkeit von Kaiserschnitten bzw. für Probleme während der Geburt. Das Kind könnte nicht durch den Geburtskanal passen oder mit der Schulter stecken bleiben (Schulterdystokie).

Werden die Kinder spontan (also ohne Kaiserschnitt) geboren, ist für Mütter das Risiko für höhergradige Geburtsverletzungen und starke Blutungen nach der Geburt erhöht.

Die Neugeborenen leiden durch die Stoffwechselumstellung häufiger unter Hypoglykämien, Anpassungsproblemen und erhöhtem Sauerstoffbedarf.

FAQ

Schwangerschaftsdiabetes bezeichnet einen in der Schwangerschaft neu aufgetretenen Diabetes, der nach der Entbindung meist schnell wieder abklingt.

Schwangerschaftsdiabetes entsteht, weil die Schwangerschaftshormone zu einem erhöhten Insulinbedarf führen. Besonderes in der zweiten Schwangerschaftshälfte steigen die Hormone rasch an und stellen sicher, dass ausreichend Zucker im Blut der Mutter vorhanden ist, um die Versorgung des ungeborenen Kindes zu sichern.

Allerdings kommt es durch die hormonelle Umstellung gleichzeitig zu einer zunehmenden Insulinresistenz. Die Bauchspeicheldrüse, in der das Insulin produziert wird, erhöht sich nun, um die erhöhten Blutzuckerspiegel zu senken. Kann jedoch der erhöhte Insulinbedarf nicht abgedeckt werden, steigt der Blutzuckerspiegel über ein gesundes Maß hinaus.

Folgende Risikofaktoren begünstigen Schwangerschafsdiabetes. Dazu zählen unter anderem:

  • Übergewicht vor der Schwangerschaft
  • Starke Gewichtszunahme während der Schwangerschaft
  • Höheres Alter der werdenden Mutter
  • Bluthochdruck (Hypertonie)
  • Vitamin-D-Mangel
  • Vorangegangene Fehlgeburten (mehr als drei)
  • Geburt eines Kindes mit einem Gewicht über 4500 g

Meistens wird ein Schwangerschaftsdiabetes im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen mit einem Zuckerbelastungstest diagnostiziert.

Der Test misst, wie der Körper auf eine größere Menge Glukose reagiert. Liegt Schwangerschaftsdiabetes vor, kann der Zucker nicht ausreichend verwertet werden und die Werte im Blut bleiben hoch.

In den meisten Fällen reicht schon eine Ernährungsumstellung aus. Auch mehr Bewegung ist sinnvoll. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Zuckerwerte zu senken, können die betroffenen Frauen kontrollieren, indem sie regelmäßig ihre Blutzuckermessungen durchführen.

  • Autor

    Mag. Simone Peter-Ivkic

    Medizinjournalistin

    Simone Peter-Ivkic ist seit 2011 als freie Medizinjournalistin tätig. Sie hat Anglistik und Publizistik an der Universität Wien studiert und fand anschließend ihre Leidenschaft für medizinische Themen.

Gestationsdiabetes. Information für werdende Mütter, https://www.oedg.at/pdf/gestationsdiabetes/Dt_SAN_Diabetes_260510.pdf

S3-Leitlinien Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge, 2. Auflage, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/057-008l_S3_Gestationsdiabetes-mellitus-GDM-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2019-06.pdf

Gesundheit.gv.at, Schwangerschaftsdiabetes, https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/stoffwechsel/diabetes/schwangerschaftsdiabetes

Gesundheitsinformation.de, Schwangerschaftsdiabetes, https://www.gesundheitsinformation.de/schwangerschaftsdiabetes.html

Therapie Aktiv, Schwangerschaftsdiabetes, https://www.therapie-aktiv.at/cdscontent/?contentid=10007.791382

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