Schwere COVID-19-Verläufe sind nicht allein auf die Infektion durch SARS-CoV-2, sondern ganz wesentlich auf eine entgleiste Immunreaktion zurückzuführen. Ein deutsch -österreichisches Forschungsteam hat jetzt eine zelluläre Stressreaktion identifiziert, die zur Immun-Entgleisung maßgeblich beiträgt: die Seneszenz.
Als programmierter Zellteilungsstopp bewahrt sie den menschlichen Körper davor, dass Krebs entsteht. Seneszente Zellen sondern aber auch entzündungsfördernde Botenstoffe ab, die etwa für Prozesse wie die Wundheilung wichtig sind. Im Übermaß produziert, fördern diese Entzündungsvermittler altersbedingte Krankheiten wie die Gefäßverkalkung. Jetzt zeigte sich, dass auch eine virale Infektion Seneszenz auslösen kann. „Offenbar ist das zelluläre Stressprogramm der Seneszenz ein sehr wichtiger Treiber eines Entzündungssturms, der eine Vielzahl charakteristischer Merkmale der COVID-19-Lungenentzündung, wie Gefäßschädigungen oder Mikrothrombosen, maßgeblich verursacht“, erklärt Soyoung Lee, Erstautorin der Studie.
„Diese entzündliche Überreaktion frühzeitig mit spezifischen Wirkstoffen zu unterbrechen, hat in unseren Augen großes Potenzial, eine neue Strategie zur Behandlung von COVID-19 zu werden“, meint auch Teamleiter Clemens Schmitt, Johannes-Kepler Universität Linz. Das Team untersuchte im Tiermodell bereits den Effekt von vier Wirkstoffen, die gezielt seneszente Zellen angreifen: Navitoclax, Fisetin, Quercetin und Dasatinib.
Alle vier Substanzen – zum Teil allein, zum Teil in Kombination – waren bei Hamstern und Mäusen in unterschiedlichem Maße in der Lage, den Entzündungssturm zu normalisieren und die Lungenschädigung abzuschwächen. Die kombinierte Auswertung zweier kleinerer Studien deutet an, dass eines der Senolytika auch beim Menschen die Wahrscheinlichkeit eines schweren COVID-19-Verlaufs senken könnte.
Referenz:
JKU Linz, Charité Berlin, MDC
Virus-induced senescence is driver and therapeutic target in COVID-19, Nature 2021; https://www.nature.com/articles/s41586-021-03995-1