Die Entstehung der Krebserkrankung ist komplex: Neben klassischen genetischen Faktoren, die unter bestimmten Bedingungen gesunde Zellen zu Tumorzellen transformieren, stehen auch andere molekulare Faktoren damit im Zusammenhang. Martin Pichler von der MedUni Graz untersuchte insbesondere die sogenannte „dunkle Materie“ des menschlichen Genoms – jenen Großteil der Erbinformation DNA, der nicht-codierend ist, also keine Bauanleitungen für Proteine enthält. Diese sich wiederholende RNA-Abschnitte spielen offenbar eine wichtige Rolle bei der Metastasierung von Dickdarmkarzinom-Zellen.
Gemeinsam mit internationalen Kollegen hat er in Dickdarmkrebszellen eine lange neue Non-Coding RNA (lnc RNA) entdeckt. Diese nach dem Fundort als FLANC bezeichnete RNA, ist in Dickdarmkrebsgewebe signifikant angereichert und führt bei Patienten zu einem deutlich schlechteren Krankheitsverlauf. Das Forscherteam hat nun in Zellkultur und Mausmodellen gezeigt, dass FLANC durch Auslösen oder Verhindern des Zelltodes die Metastasierung der Tumorzellen regulieren kann. Demzufolge könnten Therapeutika, die auf solchen RNA-Abschnitten beruhen, die abgelesenen Informationen bereits auf RNA-Ebene löschen oder modifizieren.
„Zu unserer positiven Überraschung konnten wir einen dramatischen Rückgang der bereits messbaren Metastasen in der Leber nach einigen Behandlungen im Labormodell erkennen“, fasst Pichler die Ergebnisse der bisherigen Versuche zusammen. Die Behandlung im Mausmodell zeigt keine Nebenwirkungen in anderen Organen, wie sie bei RNA-gerichteten Therapeutika manchmal beobachtet werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse sollen nun Medikamente gegen Dickdarmkarzinome und weitere Krebserkrankungen entwickelt werden.
Referenzen:
MedUni Graz; MD Anderson Cancer Center, Texas; Kyungpook National University, South Korea
Therapeutic potential of FLANC, a novel primate-specific long non-coding RNA in colorectal cancer, Gut l69:10; https://gut.bmj.com/content/69/10/1818