ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mlekusch, Facharzt für Innere Medizin und Angiologie in 1010 Wien beantwortet in dieser Video-Sprechstunde Fragen zum Thema gefäßmedizinische Untersuchung.
Welche Patienten sollten gefäßmedizinisch untersucht werden?
ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mlekusch: Die größte Gruppe an Patienten, die gefäßmedizinisch untersucht werden sollte sind jene Patienten, die an belastungsabhängigen Beschwerden in der Extremitätenmuskulatur leiden. Sie haben vielleicht schon den Ausdruck einer Schaufensterkrankheit gehört. Dabei handelt es sich um eine Erscheinung, die den Patienten zwingt nach einer kurzen, mehr oder weniger subjektiv vielleicht nicht ausreichenden Gehleistung plötzlich stehen zu bleiben weil ein Schmerz in der Wade ein Vorangehen verhindert. Die Patienten sind hoch verdächtig dafür, dass irgendwo ein Mangelproblem in der arteriellen Strombahn vorhanden ist und die Versorgung der Muskulatur gefährdet und einen Schmerz erzeugt, der diese Pause notwendig macht. Das ist nicht selten diese Erscheinung, tritt bei über 65-jährigen in ca. 20% der Fälle auf und die sollten gefäßmedizinisch untersucht werden um allfällige Therapieoptionen ziehen zu können.
Andere Gruppen, die eine Untersuchung verdienen sind langjährige Raucher, Patienten die einen Bluthochdruck haben, Patienten mit erhöhtem Cholesterin, Diabetiker, all jene sollten gefäßmedizinisch deswegen untersucht werden, weil diese Erscheinungen einen Risikofaktor darstellen für eine Gefäßerkrankung und hier kann man auch mit funktionsdiagnostischen Maßnahmen sehr einfach feststellen ob ein Mangelproblem vorhanden ist und dann allfällige Therapieoptionen mit dem Patienten besprechen oder eine Therapie einleiten.
Auch Patienten, wo der Verdacht besteht, dass eine Beinvenenthrombose vorhanden ist oder ein Aneurysma in der Hauptschlagader sollten einer Ultraschalluntersuchung unterzogen werden und so kann festgestellt werden ob das vermutete Problem auch tatsächlich vorhanden ist. Und last but not least Patienten, bei denen die Notwendigkeit für einen Veneneingriff festgehalten wurde. Hier kann der Angiologe vielleicht unabhängig und etwas objektiver festhalten ob dieser Eingriff für den Patienten tatsächlich auch medizinisch notwendig ist.
Wie läuft eine Gefäßuntersuchung bei fraglicher Durchblutungsstörung der unteren Extremität ab?
ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mlekusch: Ein arterieller Gefäßstatus gliedert sich in mehrere Untersuchungsgänge. Zu Beginn steht eine klinische Untersuchung der betroffenen Extremität, da wird neben der Inspektion von Behaarungstyp und Nagelwachstumsverhalten, die Extremität an sich klinisch begutachtet, es wird der Puls getastet vom Leistenbereich über die Kniekehle bis hinter zum Knöchel und auch am Vorfuß.
Im Falle des Ausfalles eines Pulses wird dann das Stethoskop zur Hilfe genommen und dann hört man den ganzen Strombann-Bezirk auch mit dem Stethoskop ab. Der Hintergrund ist, dass Engstellen Flussturbulenzen erzeugen, die mit dem Stethoskop auch hörbar sind und so kann man schon klinisch einschätzen ob hier eine Engstelle, ob ein Gefäßverschluss vorhanden ist und je die nächsten diagnostischen Schritte einleitet. Der nächste Schritt wäre dann z.B. die Oszillographie. Die Oszillographie ist eine funktionsdiagnostische Untersuchung, bei der ähnlich der Blutdruckmessung – Manschetten im Handgelenks- und im Fesselbereich angebracht werden. Die Manschettenbereiche werden aufgeblasen und stufenweise der Druck abgelassen und so kann anhand der Kurven, die so entstehen festgestellt werden ob irgendwo ein Versorgungsproblem auftritt, das vergleichend der rechten mit der linkten unteren Extremität oder aber auch der unteren mit der oberen Extremität hier zur Darstellung gebracht werden kann.
Wenn ein Problem hier festgehalten werden kann ist der nächste Schritt, dass man eine bildgebende Untersuchung macht, wie z.B. eine farbkodierte Duplex-Sonografie – hier kann mit Ultraschallmethoden der arterielle Strombann-Bezirk direkt untersucht werden und der Blutfluss auch visualisiert werden und hier können Engstellen tatsächlich dargestellt und mit Flussmessmethoden auch vermessen und kategorisiert werden. Hier können sie dann sagen – ist die Engstelle hochgradig, nicht hochgradig, ist ein Komplettverschluss vorhanden und anhand dieser Information kann man die weiteren Therapieschritte planen – ob eine Gefäßeingriff reicht oder ob der Patient auch zum Gefäßchirurgen muss.
Wann besteht Verdacht auf eine Beinvenenthrombose und wie geht man dann vor?
ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mlekusch: Eine Beinvenenthrombose entsteht durch einen plötzlichen Gerinnsel-Verschluss im Beinvenenbereich und das führt dann, was die Symptomatik betrifft, zu einem ausgeprägtem Schwellungsverhalten des betroffenen Extremitäten-Abschnittes. Die Schwellung kann sehr ausgeprägt, sie kann so schwer ausgeprägt sein, dass eine zuvor passende Hose, plötzlich nicht mehr passt. Das Bein ist ausgeprägt überwärmt, ist auch druckschmerzhaft und unter diesen Gesichtspunkten sollte dann auch eine Abklärung stattfinden, weil potenziell ist die Beinvenenthrombose auch eine gefährliche Erkrankung. Es kann sich von diesem Gerinnsel-Verschluss ein Anteil ablösen, mit dem Blutstrom verschleppt werden und in der Lunge landen, als sogenannte Lungenembolie. Das gilt es auch zu verhindern oder zumindest die Therapie dann entsprechend zu wählen, dass das Embolie Verhalten hier entsprechend gering ist.
Die Untersuchung läuft so ab, dass man zunächst das Bein klinisch untersucht, versucht festzuhalten ob tatsächlich ein Unterschied im Umfangverhalten vorhanden ist, ob eine Druckschmerzhaftigkeit da ist, ob eine Überwärmung im Seitenvergleich da ist, ob oberflächlich sichtbare Venen vermehrt da sind. Das sind klinische Anzeichen für eine Beinvenenthrombose und wenn all diese Parameter zutreffen, dann ist es auch gerechtfertigt eine weitere bildgebende Untersuchung zu machen. Mit Ultraschall kann dann der Venenabschnitt untersucht werden, kann festgehalten werden ob ein Gerinnsel da ist. Wenn ja, wie ausgedehnt das Gerinnsel da ist, wie frisch das Gerinnsel ist, ob es vielleicht eine schon ältere Thrombose, eine relativ frische Thrombose ist – um dann die entsprechende Therapie einzuleiten.
Die Therapie besteht in der überwiegenden Mehrheit der Fälle aus einer Blutverdünnungsbehandlung – da bekommen die Patienten, wenn es die erste Thrombose ist für einen zeitlich befristeten Abschnitt ein Blutverdünnungsmedikament. Ist es eine wiederholte, eine zweite, eine dritte Thrombose, dann besteht die Indikation den Patienten längerfristig mit einem Blutverdünnungsmedikament zu behandeln um zu verhindern, dass neuerliche Thrombosen auftreten oder wenn Thrombosen da sind, dass sich die Gerinnselanteile nicht mit dem Blutstrom verschleppen und dann letztendlich zur Lungenembolie werden.
Wie kann man ein erhöhtes Schlaganfallrisiko erkennen?
ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mlekusch: Abseits der klassischen Risikofaktoren wie erhöhter Blutdruck und Herzrhythmusstörung stellt sie Halsschlagader gefäß medizinsch ein herausragendes Objekt der Begierde, wie man so möchte, dar. Es können sich so wie in jedem Arterienabschnitt des Körpers auch im Bereich der Halsschlagader Verengungen, Verkalkungen, Auflagerungen, Verdickungen entwickeln. Nur im Bereich der Halsschlagader ist das Novum vorhanden, dass die Halsschlagader quasi das zuführende Gefäß für das Gehirn darstellt und wenn hier Verdickungen, Verkalkungen, Verengungen vorhanden sind, dann wird einerseits natürlich der Blutstrom reduziert Richtung Gehirn und andererseits können sich aber von der Arterieninnenwand Partikel ablösen, mit dem Blutstrom mitverschleppt werden und dann zu einem Schlaganfall führen.
Aus dem Grund sind bei Patienten, wo man glaubt, dass das Risiko höher ist, wie z.B. bei Bluthochdruckpatienten, wie bei Patienten mit erhöhtem Cholesterin ist es sinnvoll die Halsschlagader zu untersuchen, festzuhalten ob dort normale Wandverhältnisse sind, ob Verdickungen vorhanden sind, ob Verkalkungen vorhanden sind, ob vielleicht sogar Verengungen vorhanden sind. Wenn ja, wie ausgeprägt und hochgradig diese Verengungen sind. Wenn man dann abhängig vom engstelligen Grad dann unter Umständen auch über eine Operation nachdenken muss. Was die Patienten aber bei Verdickungen, bei Verkalkungen, bei Einengungen auf alle Fälle verdienen sind Medikamente, die unter dem Strich die Verengungen oder Veränderungen soweit stabilisieren, dass ein Voranschreiten weniger wahrscheinlich wird und somit auch das Schlaganfallrisiko minimiert werden kann.
Was ist ein Aortenaneurysma und wie kann man es erkennen?
ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mlekusch: Als Aneurysma bezeichnet man eine umschriebene Erweiterung an einem Blutgefäß. Das kann eine Arterie sein, es kann jede Vene im Körper davon betroffen sein im Bereich der Hauptschlagader, der sogenannten Aorta. Aneurysmen sind deswegen so gefährlich, weil die grundsätzlich wenig bis keine Beschwerden verursachen und wenn das Aneurysma relativ groß ist, steigt damit auch die Gefahr, dass es platzt. Wenn ein Aortenaneurysma platzt, dann hat der Patient, selbst wenn er lebend das Spital erreicht eine nur geringe Überlebenschance, weil innerhalb von kurzen Zeitabschnitten relativ viel Blut verloren geht und da gelingt es oft nicht den Patienten auch rechtzeitig zu stabilisieren.
Ist es so, dass man ein Aortenaneurysma frühzeitig erkennt, dann ist es häufig so, dass es zufällig passiert aufgrund von Untersuchungen, die aus Indikationen vorgenommen werden und abhängig von der Größe des Aortenaneurysmas ist es dann notwendig Folgeprozesse einzuleiten.
Sind die Aneurysmen unter 4cm im Querdurchmesser, dann kann unter Umständen eine jährliche Untersuchung ausreichen um hier eine Progression beurteilen zu können. Sind die Aneurysmen größer, müssen die Folgeintervalle kürzer gehalten werden, um nicht zu verpassen, dass der Patient nicht in einen Durchmesserbereich kommt, der für ihn auch gefährlich ist. Ab 5,5 cm Querdurchmesser ist ein Eingriff im Bereich der Aorta notwendig und zwar deswegen, weil man aus Studien weiß, dass dieser Durchmesser quasi als Grenze gilt – ab dann die Operation an sich weniger gefährlich ist wie das Spontanverhalten des Aneurysmas selber. Die platzen dann relativ häufig.
Wie schon vorhin erwähnt, wenn ein Aneurysma platzt, dann ist das, was die Prognose betrifft, für den Patienten eher ungünstig. Bei kleineren Aneurysmen, unter 4cm, unter 4,5cm, unter 3cm ist es so, dass Patienten auf alle Fälle eine medikamentöse Therapie brauchen, die darauf abzielt, das Wachstumsverhalten des Aneurysmas günstig zu beeinflussen, zu verhindern, dass das Aneurysma innerhalb kurzer Zeit dramatisch an Größe gewinnt. Namentlich sind das sogenannte „Stathine“, die die Cholesterinkonzentration im Zaum halten und wo nachweislich auch in verschiedenen Studien festgehalten werden konnte, dass hier das Wachstumsverhalten gehemmt wird.