Zusammenfassung
Factbox – Multiple Sklerose
Multiple Sklerose (MS): Häufigste neurologische Erkrankung junger Erwachsener, Autoimmunerkrankung
Symptome: Gefühlsstörungen wie Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Gliedmaßen, Sehstörungen, starke Müdigkeit, Unsicherheiten beim Stehen und Gehen, Gangstörungen, Sprech- und Schluckstörungen, Gefühlsstörungen im Gesicht, Darm- und Blasenentleerungsstörungen uvm.
Schub: Nervenfunktionsstörungen, die mind. 24 Stunden anhalten und anderweitig nicht erklärbar sind
Verlaufsformen: RRMS (häufigste Verlaufsform), SPMS, PPMS
Therapie: Kortisonpräparate als Infusion bei akutem Schub, Langzeittherapie mit Injektabilia oder oralen Therapeutika, nicht-medikamentöse und medikamentöse symptomatische Therapie
Was ist Multiple Sklerose?
Bei MS handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Die Mehrheit der Betroffenen erkrankt im jungen Erwachsenenalter (zwischen 20 und 40). Frauen sind etwa doppelt so oft betroffen wie Männer.
Ursachen – was passiert bei Multipler Sklerose?
Zentrales Nervensystem: Als zentrales Nervensystem (ZNS) werden die im Gehirn und Rückenmark gelegenen Nervenstrukturen bezeichnet, die für die zentrale Reizverarbeitung zuständig sind. Außerdem ist das ZNS Sitz der Auslösung der willkürlichen Motorik und der Ort des Denkens. Die einzelnen Signale werden über Nervenfasern übertragen, die, ähnlich wie ein elektrisches Kabel, von einer Hülle umgeben sind (Myelin oder Nerven- oder Myelinscheide), die für eine rasche Weiterleitung der elektrischen Signale sorgt.
Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung: Bei MS greifen körpereigene Zellen infolge einer Fehlfunktion des Immunsystems die Myelinscheiden und/oder die Nervenzellen an. Es kommt zur Bildung von entzündlichen Läsionen (Plaques), die vernarben. Da sich bei MS das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen richtet, wird die Krankheit zu den Autoimmunerkrankungen gezählt. Die Narben beeinträchtigen die Signalübermittlung der Nervenfasern – Befehle können in weiterer Folge nur teilweise oder gar nicht ausgeführt werden, was sich, abhängig davon welcher Teil des ZNS betroffen ist, in unterschiedlichen Symptomen äußert. Außerdem ist Gehirnschwund (Hirnatrophie) häufig ein Mitverursacher verschiedener Symptome. Der Abbau von Hirngewebe ist an sich ein normaler Alterungsprozess, wird durch Multiple Sklerose jedoch verstärkt und führt zu kognitiven Störungen, die u.a. die Informationsverarbeitung, das Gedächtnis, die komplexe Aufmerksamkeit und die Planungs- und Handlungsfähigkeit betreffen. Mit modernen Therapien kann dem entgegengewirkt werden.
Symptome und Formen
Im Verlauf der Erkrankung kann es zu verschiedenen Symptomen kommen. Erste mögliche Anzeichen sind u.a. Gefühlsstörungen (z.B. Taubheitsgefühl oder Kribbeln in den Armen und Beinen), Sehstörungen, starke Müdigkeit, Unsicherheiten beim Stehen und Gehen und Gangstörungen.
An dieser Stelle muss nochmals betont werden, dass die Krankheit bei jedem anders verläuft. Nicht jeder Patient ist von jedem Symptom betroffen. Die verschiedenen Symptome treten meistens sowohl im Schub als auch dauerhaft in unterschiedlichen Kombinationen auf. Auch bilden sich Symptome bei vielen Patienten nach einem Schub teilweise oder vollständig zurück.
Bei einem Schub handelt es sich um neuauftretende Störungen, die länger als 24 Stunden anhalten. Bei den Störungen kann es sich um neue Symptome handeln oder um eine Verschlimmerung bereits bestehender Symptome. Bis zur Rückbildung der Symptome kann es einige Zeit dauern, es kann allerdings auch zu bleibenden Schäden kommen.
Das Ausmaß der Schübe und die Geschwindigkeit, mit der die Krankheit fortschreitet sind individuell verschieden. Grundsätzlich werden bei MS drei Verlaufsformen unterschieden:
- Multiple Sklerose mit schubförmigem Verlauf (schubförmig remittierende Multiple Sklerose, RRMS)
- Sekundär progrediente (SPMS)
- Primär progrediente Multiple Sklerose (PPMS).
RRMS ist die häufigste Verlaufsform – bei etwa 80 Prozent aller Patienten beginnt die Krankheit mit dieser Form. Der Verlauf ist durch das Auftreten von Schüben in unregelmäßigen Zeitabständen charakterisiert. Bei vielen Erkrankten geht die RRMS später in eine SPMS über.
Diagnose
Die Diagnose erfordert nach dem Erfassen der Krankengeschichte verschiedene Untersuchungen, darunter die gründliche körperliche neurologische Untersuchung, bei welcher u.a. die Sensibilität der Haut, die Reaktion auf Temperaturen, Reflexe, die Muskelbeweglichkeit, der Gleichgewichtssinn und die Koordination untersucht werden. Erhärtet sich der Verdacht auf Multiple Sklerose, erfolgen weitere Untersuchungen, darunter eine Magnetresonanztomographie (MRT), eine Untersuchung des Nervenwassers und die Bestimmung der Leitfähigkeit der Nervenbahnen.
Therapie
Schubtherapie: Um eine akute Entzündung zu unterdrücken, werden Kortisonpräparate als Infusion gegeben.
Basistherapie- und Eskalationstherapie: Die Langzeittherapie zielt darauf ab den Verlauf der Krankheit zu verlangsamen und neue Schübe zu verhindern. Die Therapie kann eskaliert werden, wenn sie nicht den gewünschten Behandlungserfolg zeigt (Eskalationstherapie). Für die Langzeittherapie stehen verschiedene Substanzen zur Verfügung, die entweder durch Infusionen in die Vene, als Injektion unter die Haut oder in den Muskel verabreicht werden. Darüber hinaus gibt es seit einiger Zeit auch Therapeutika, die oral eingenommen werden.
Symptomatische Therapie: Weiters gibt es verschiedene nicht-medikamentöse Maßnahmen, darunter z.B. Ergo-, Physio- und Sporttherapie, Logopädie und bestimmte Entspannungsverfahren, um einzelne Symptome zu behandeln und die Lebensqualität zu erhalten bzw. zu verbessern. Psychotherapie kann helfen besser mit der Diagnose und den damit einhergehenden Veränderungen zurechtzukommen. Zusätzlich kommen zur Behandlung von Symptomen auch Medikamente zum Einsatz.
Die Therapie des akuten Schubs, die langfristige und die symptomatische Therapie kommen im Regelfall kombiniert zur Anwendung. Die Therapie wird individuell erstellt und (laufend neu) an die Situation des Patienten angepasst. Sie richtet sich nach Krankheitsstadium und -verlauf, vorherherrschenden Symptomen, Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen und anderen Faktoren wie z.B. einem möglichen Kinderwunsch.
Zwar ist Multiple Sklerose nach dem heutigen Erkenntnisstand nicht heilbar, die Diagnose bedeutet jedoch keinesfalls ein Ende der Lebensqualität. Mit einer richtigen und konsequenten Therapie können Betroffene ein weitgehend normales Leben führen, einer Ausbildung und einem Beruf nachgehen und eine Familie gründen.
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